Ankunft am Flughafen Tenerife Sur
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Gegen die Menschenwürde

Aus Sicht des Flugreisenden ist Adipositas eine Volksseuche, für deren Bekämpfung erheblich mehr Steuergelder aufgewendet werden müssten. Man liest das ja immer in Artikeln – oder stolpert im Fernsehen über einen Bericht, in dem zuverlässig nackte, käsige Beine, die aus Hot Pants quellen, zu sehen sind –, dass die Deutschen „immer dicker werden“. Aber wenn man dann direkt betroffen ist …

Es ist erschreckend zu sehen, welche Masse an zu viel Menschenfleisch sich heutzutage durch die Sitzreihen der Touristenflieger schwabbelt. Noch schrecklicher, wenn einer dieser Menschenberge im Sitz neben Dir Platz nimmt und mit souveräner Ignoranz seine Wülste über die Lehne in Deinen ohnehin eng bemessenen Sitzbereich wobbelt. Es zählt zur Rubrik „Einzelschicksal“, dass der konstant hohe Blutdruck des Adipösen sich in Dauerschwitzen äußert und Dich durch den unvermeidlichen Dauerkontakt ordentlich aufheizt und durchfeuchtet – Pech gehabt, grinst sardonisch der Neidhammel. Aber wenn ich ins Feld führe, dass ich für einen ganzen Sitz im Flugzeug während des Fluges bezahlt habe, aber nur einen halben bekomme, wird aus den Adipösen abseits doch eher abstrakt wirkender allgemein höherer Gesundheitskosten für die Fetten auch ein direkt fassbarer Wirtschaftsfaktor.

Der Fluggesellschaft ist das aufgefallen; sie verteilt Essen an Bord mittlerweile nur noch gegen Cash – die Currywurst für 6,50 Euro, dafür kostet der Wein für 9,50 nur 11,50, wenn man ihn mit „Tapas“ bestellt. Mein Sitznachbar testete die Currywurst, dazu ein Bier.

Vielleicht war mein halb von wabbelndem Fremdfleisch belegter Sitz ja das, was die Fluggesellschaft meinte, als sie beim Boarding darauf hinwies, die Maschine sei überbucht und dann die auf Urlaub programmierten Passagiere bat, gegen „eine attraktive Vergütung“ ihren Sitz für Andere zur Verfügung zu stellen. Nachdem ich beim morgendlichen Check-In eine Dreiviertel Stunde im Kreise von Urlaubern verbracht hatte, die gekleidet waren wie Wesen, die in ihrem Waschbeton-Hotelzimmer noch vor dem Koffer auspacken RTL-II einschalten, und ich beim anschließenden Security Check an einen nur mäßig deutsch und noch mäßiger englisch sprechenden Schlechte-Laune-Mann geraten war, der sich meiner besonders liebevoll annahm, kam eine Wiederholung eines Check-In mit anschließendem ziehen-Se-ma-Gürtel-und-Schuhe-auch-noch-aus für mich allerdings nicht in Betracht.

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Später am Tag, auf der Fähre von Teneriffa nach La Gomera, verblasste die Erinnerung daran, dass touristisch motivierte Flugreisen ein Verstoß gegen die Menschenwürde darstellen. Und während eines gegrillten Thunfischs an der Playa und ein paar kühlen Dorada, zu denen wir am Nachbartisch via Handy-Stream die letzten Minuten des Finales der Euro 2016 erlebten, kam auch meine Seele an in La Calera im Valle Gran Rey.

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