Teaserplakat (US) für den Kinofilm Jurassic World
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Jurassic Yawn

Vor 21 Jahren erschütterte ein Beben die Kinogemeinde. Steven Spielberg brachte Jurassic Park in die Kinos. Da trampelten Brontosaurier über grüne Wiesen und fraßen Tyrannosaurier Menschen vom Klo – das sah aus, wie mit der Kamera 1:1 im Dschungel gefilmt; dass Computergraphics die Dinos erst ermöglichten, wussten wir – irgendwie – konnten und wollten unser Staunen aber trotzdem nicht verbergen.

Der Film veränderte unsere Sehgewohnheiten, unser Anspruch an Hollywoods Maschine wurde neu definiert: Filme, die noch Gummi-Dinosaurier, Stop-Motion-Rüttler oder Kopierschatten präsentieren, würden wir künftig ignorieren; folgerichtig kam bald darauf auch der erste Godzilla nicht mehr in angestammtem Gummikostüm, sondern als Pixel-Kreation.

Lieber eine halbgare Fortsetzung als ein intelligentes Risiko

Von ihrem ersten Tag an hat die Filmindustrie an Spezialeffekten gebastelt. Méliès’ „Reise zum Mond” von 1902 ist ein Feuerwerk an Effekten. Ihre analoge Behäbigkeit aber limitierte deren Einsatzmöglichkeiten – wo SFX nicht halfen, mussten die Filmschaffenden die Handlung mit klugen Ideen vorantreiben. Mit dem digitalen Durchbruch seit „Jurassic Park“ sind kluge Ideen offensichtlich Verhandlungsmasse. 1993 waren es einzelne Dinosaurier, die in realer Kulisse tobten. Später kamen Peter Jacksons Herr der Ringe-Serie und und George Lucas’ zweite Star Wars-Trilogie, in denen nicht mehr einzelne Monster in eine reale Welt kopiert, sondern Menschen in eine komplett im Computer gebaute Welt gestanzt wurden. Das muss als solches noch nicht schlecht sein. Stimmt das Drehbuch, ist es egal, wie die Bilder zustande kommen. Ich liebe intelligente Unterhaltung wie Star Wars, Terminator oder Die Kanonen von Navarone.

Der Spruch, ein Film brauche vor allem drei Dinge, „Ein gutes Script, ein gutes Drehbuch und ein gutes Script“ – oder Billy Wilders drei goldene Kinoregeln „Du sollst nicht langweilen, du sollst nicht langweilen und du sollst nicht langweilen“ – ist etwa um die Jahrtausendwende hinter die Kommode gefallen.

Mehr Geld für mehr Rumms

Dramaturgische Bögen sind zu vernachlässigen; alles, was zu Lasten bunter Action und atemberaubend-sein-sollender Bilder erklärt werden müsste, wird auf die Fortsetzung geschoben, die gedreht wird, wenn das aktuelle Knallbonbon erfolgreich genug ist – ist es nicht erfolgreich genug, ist das wohl ein Zeichen, dass die Zuschauer das Setting nicht mochten und sich für dessen Erklärungen dann auch nicht weiter interessieren. Also wird ein neues Knallbonbon platziert. Kommt hingegen eine Fortsetzung, erklärt auch die nichts, weil die Zuschauer ja in Teil eins schon ohne die Erklärung klar gekommen sind und sie in Teil zwei also erst recht keine erwarten, denn da wollen sie das „Höher, Schneller, Weiter“, aber bestimmt kein bremsendes Geschwätz.

So oder so machen die Controller mehr Geld locker, damit die Kulisse noch realer wirkt, die Action noch größer, die Werbung noch viraler wird. Der Regisseur des Erfolgfilms darf die Fortsetzung drehen, der Regisseur des Flops kehrt zurück in die Hölle der TV-Werbespots, aus der er kam. Mehr Geld ausgeben heißt noch effizienter drehen – wenig Wort, viel Eye-Candy. Eine Teufelsspirale, an deren Ende immer noch keiner erklären kann, warum der eine Film funktioniert, der andere aber nicht, obwohl beide etwa 200 Millionen Dollar gekostet haben, beide in Fantasy-Landschaften spielen mit gerade angesagten Jungschauspielern. Und weil es keiner erklären kann, machen alle immer so weiter.

Titel-Logo zum Kinofilm Jurassic World

Jurassic World: Das große Nichts

Vor einigen Tagen hat das Universal Studio stolz seinen ersten Teaser-Trailer für „Jurassic World“ (Nachtrag: Hier meine Besprechung zum Film), den dritten Nachfolger des Spielberg-Films von 1993, präsentiert. Dieser Trailer zeigt die Leere der aktuellen Macher-Generation in der US-Filmindustrie. An seinem Anfang streicht eine Mutter ihrem großäugigen Sohn durchs Haar, wünscht viel Spaß und schickt noch die lächelnde, nicht ernst gemeinte Warnung hinterher, „Wenn Euch irgendwas jagt … lauft!“ Schnitt. Dann öffnen sich die Tore – die berühmten, ikonographischen Tore – zum Jurassic Park, nur dass über ihnen statt dessen „Jurassic World“ steht und die Fahrt jetzt per Monorail mitten hinein in eine bonbonbunte, digital erzeugte Seenlandschaft führt. Ein Park ist nicht genug, morgen die ganze Welt. In der Folge sehen wir dann kugelige blaue Kinderaugen, groß; dazu Straußeneier unter Warmhaltelicht, eine rothaarige Wissenschaftlerin mit dem berufstypischen Wahnsinn im Blick, die neben vielen wiederhergestellten Dinosauriern jetzt erstmals auch ein eigenes Geschöpf kreiert hat; und dann sieht man noch Blutstropfen, grunzende Schatten, schreiende Menschen und einen kernigen Breitschultermann, der raunt, er wisse auch nicht, wie gefährlich dieses Ding sei, weil er nicht wisse, „was für’n Saurier die da im Labor zusammengerührt haben“, auf jeden Fall „ist sie ein hochintelligentes Tier. Sie wird alles töten, was sich bewegt. Evakuieren Sie die Insel!“ Garniert wird die Hektik mit Beautyshots von an Jeeps vorbei rennenden Dinosauriern, Gyrokoptern mit lachenden Kinderaugen an Bord, die durch die Beine von Brontosauriern Slalom fliegen. Schon im zweiten Teil (1997) sagte Jeff Goldblum, so finge es immer an. Erst Aaahh, wie schön und Ooohh, wie süß und am Ende Geschrei und Panik. Streng genommen ist der Film wohl ein Remake des 1993er Jurassic Park. Damals revolutionierte der Film das Kinobild auf der Leinwand. Heute ist dieses Kinobild längst frei befüllbar, Pixel für Pixel. Das optische Zusammenspiel von Mensch und Dinosaurier ist nichts Besonderes mehr. Klar geht das, im Computer geht alles.

Als Filme noch Debatten auslösten

Spielbergs Film löste Debatten über das Kloning aus, meist weniger wissenschaftlich geführt, eher mit jenem wohligen Schauder des Was wohl wäre, wenn mal einer „so’n Dino klonen würde“ und gefüttert mit der Überzeugung, dass diese Mücke-in-Bernstein-mit-Dinosaurierblut-Theorie gar nicht so abwegig sei. Außerdem stellten Eltern überall in der Welt fest, dass ihre Kinder Dinosaurier mögen. Heute ist das alles Schnee von Gestern. Seit Gen-Food Einzug in die BRIGITTE-Diät gehalten hat, ist Kloning in aller Munde; Dinosaurier, auch die schrecklichen, fristen zu Comicfiguren verniedlicht ihr Dasein in den Frühstücks-Cerealien der Kinder. Was bleibt da noch zu erzählen aus dieser Dinosaurier-Welt? Die Spannung auf den ersten Trailer war also groß. Und der Trailer hat die Fragen beantwortet.

Er spielt mit der Dramaturgie des Nicht-Zeigens. Den Saurier, den „die da im Labor zusammengerührt haben“, zeigt der Trailer nicht, dafür aber die gigantischen Spuren, die das neue Geschöpf hinterlässt. Die Dramaturgie des Nicht-Zeigens hat Spielberg schon 1975 im Weißen Hai auf die Spitze getrieben; damals war das dramaturgisch hip, aber wenn heute, 40 Jahre später, der zusammengebraute, noch unsichtbare Saurier das einzige Verkaufsargument für den Film ist, warte ich einfach auf die Leaks bei YouTube. Ein einzelner Tropfen Blut plitscht auf den Unterarm eines asiatischen Park-Rangers. Ist die Zahl der Filme, in denen ein einzelner Blutstropfen auf Unterarm oder Glatze den Beginn einer Horror-Stampede einleitet, eigentlich noch zweistellig oder längst dreistellig?

Was wollen eigentlich wir, die Zuschauer?

Die Regie hatte Spielberg schon zum dritten Teil abgegeben, auch hier sitzt er aber natürlich im Produzentenbüro. Ist es also schon Humor oder ist das noch Hybris des unbekannten Regisseurs Colin Trevorrow, dass im Trailer in einem Sea-World-ähnlichen Basin ein Dinosaurier aus dem Wasser springt, um einen aufgehängten Hai zu verspeisen? So eine Art am-Vorbild-kratzen: „Schau her, Spielberg, wie ich Deinen Weißen Hai vernichte“? Diese Szene ist das einzig wenigstens Bemerkenswerte im Trailer. Der Rest zeigt Nichts, digital groß aufgeblasen.

Wenn aber schon der Trailer die ganze Einfallslosigkeit der Controller offenbart, ihre Angst davor, Neues auszuprobieren und so ein Trailer aber doch the Best of all zeigen soll, wie dröge muss dann erst der Film geworden sein? Eine gesellschaftspolitische Debatte über Kloning oder über sonst irgendwas löst er bestimmt nicht aus – es sei denn die darüber, welches Kino wir uns wünschen und von den Studios erwarten.

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