Karussell am Alten Hafen, Tel Aviv
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Bummel mit Scheuklappen

Einfach losziehen ist das beste. Der Reiseführer vom lonely planet ist super vorweg, aber vor Ort erstmal tote Buchstaben. Außerdem ist sich in Tel Aviv zu orientieren für einen gebürtigen Kölner keine Kunst.

Die Stadt am Mittelmeer ist ähnlich gebaut wie die Ringstruktur in Köln – links das Meer und dann fünf große Achsen, die parallel zur Küste verlaufen, begrenzt im Norden durch den Alten Hafen, im Süden … gar nicht. Also gehe ich ans Meer und nach Norden. Erster Eindruck nach ein paar Minuten: die Beachside mit vielen angesammelten Beton-Hotels hält sich mühsam schick mit Lounge-Athmosphäre und Beachvolleyball. Die Menschen hier zeigen gerne Muskeln und schöne Körper, Glatze und/oder Bart sind der Hit. Und schon zucke ich zusammen.
Darf ich das schreiben? Sind die Eltern und Großeltern dieser Menschen nicht schon mal in eine physiognomische Schublade gesteckt worden? Mögen nicht auch die Menschen an der Nordsee Muskeln? Sind Glatze und/oder Bart nicht auch an der Atlantikküste der Hit (das weiß ich gar nicht, ist das so?)? Das kann man doch nicht so einengen. Aha, der mahnende Finger seit frühen Schultagen wirkt nach. Ich merke auch, wie ich meinen üblicherweise schnellen Schritt bremse, um mit meinen zwei Metern nicht … irgendwie bedrohlich zu wirken.
Zum Glück fällt der Quatsch keinem auf. Die sind hier viel zu sehr mit sich und ihrem Alltag beschäftigt, als dass sie sich um die Komplexe eines Touristen kümmern wollten. Sie lächeln lieber; das machen sie offenbar gern. Meine Scheuklappen finde ich in meinen Gesprächspartnern nicht gespiegelt.

Leider gibt es kaum Gesprächspartner – es ist Sonntag, morgen und übermorgen sind die Neujahrsfeiern, kurz: 90 Prozent der Läden, Clubs und Kneipen haben zu; das steht dem Ruf der Stadt, lebendig und quirlig zu sein, nun im Weg. Mir gibt das Muße zu gucken – die schöne, wenn auch verfallende Bauhaus-Architektur, die die Innenstadt beherrscht, die Graffitikunst, die den öffentlichen Raum erobert, das Stadtbild prägt, die zahllosen Kioske, die – wieder wie in Köln – auch geöffnet haben, wenn alle zu haben, mit ihrem durchgerüttelten Sortiment an Weinen, Sonnencremes, Spirituosen, Gummibärchen, Zigaretten und … Badeklamotten. Dieses Problem jedenfalls ist schon mal gelöst.
Die anderen lösen sich von allein. Reisen bildet ja. Morgen gucke ich auch bestimmt mal in den Reiseführer.

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