Kenia, Lake Nakuru
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Die letzten Stunden in der Lake Nakuru Lodge. Am Nachmittag ziehe ich weiter in die Masai Mara. Es heißt, spreche man über kenian wildlife, meine man Masai Mara. Ich wohne dort in einer Lodge, die derselbe Mann betreibt, der die Tawi Lodge in Amboseli betreibt. Das lässt mich zweierlei vermuten: Wunderbare Atmosphäre, kein W-Lan. Ich kehre also zurück in die analog-naturale Welt, in der Nachrichten manchmal etwas länger brauchen. Das ist ganz gut so. Ich ziehe die Abgeschiedenheit der Savanne dem Rummel in der Resort eigenen Bar mit Original Stammestänzen am Abend vor.

Ich hatte hier im Resort am Lake Nakuro nicht die Ruhe, die ich gesucht – und in Tawi zum Beispiel gefunden – habe. Ich weiß – durch meinen Beruf, durch Erzählungen, durch Freunde – dass Kenia nicht in erster Linie aus lustigen, großartigen Tieren besteht. Unter den Menschen hier herrscht eine absurde Armut; die Kellner, die mich hier anstrahlen, mir meinen Kaffee bringen und am zweiten Tag wissen, welche Brotsorten ich am ersten Tag gewählt habe und mir diese also gleich bereit legen, nehmen im Monat als Lohn etwa das mit nach Hause, was ich hier am Tag ausgebe. Das ist pervers und die logische Schlussfolgerung wäre, sofort heimzufliegen, diese Art menschenverachtender Behandlung nicht auch noch zu unterstützen. Dass der Tourismus der wichtigste Wirtschaftszweig Kenias ist, der, meiner Logik folgend, zusammenbrechen würde, würden alle so denken, ist sicher kein Argument zu bleiben – „Die Sklaven sollen doch froh sein, dass wir Touristen ihnen wenigstens ein kleines Einkommen sichern“??

Ich weiß nicht, was ich tun kann. Ich kann mich nur vernünftig benehmen, den Menschen hier mit dem gebührenden Respekt begegnen und ihnen für ihre Arbeit angemessen danken – das kann ich gut, das tue ich gerne.

Aber ich habe Urlaub. Aus meiner Perspektive habe ich mir den verdient, dafür gearbeitet, mich als Nachrichtenredakteur täglich mit den Problemen in der Welt befasst, mit Armut, Terror, Ausbeutung und royalem Nachwuchs, habe mich respektlos behandeln lassen und manchmal habe ich auch zu wenig geschlafen. Ich würde gerne diese zwei Wochen davon mal Abstand gewinnen. In der Lake Nakuru Lodge ist mir das nicht gelungen – da wird der Pool gesäubert, der Rasen gemäht, Äste gesägt, es ist dauernd Bewegung, es gibt W-Lan, also Kontakt zur Welt da draußen, ich finde keine Ruhe, um mich auf die Zebras, Antilopen, Büffel und Paviane einzulassen, die 50 Meter entfernt grasen.

Auf den Game Drives sehe ich viele Tiere. Es ist großartig, die in ihrem eigenen Lebensraum zu besuchen, wo sie stolzieren, grasen, faul herumliegen oder – auch das – der Nahrungskette gehorchen. Das ist viel besser als im Zoo – das ist gar nicht zu vergleichen mit Zoo. Aber es bleibt dennoch ein kurzer Besuch, der nur wenig Zeit lässt, die Tiere wirklich zu beobachten; es hat eher was von Sammelalbum füllen, „heute habe ich mein erstes Rhinozeros gesehen. Jambo!“ Erst in den Lodges, wo die Tiere am Wasserloch vor der Terrasse Pause machen, kann ich ihnen wirklich beim Sein zugucken. Das heißt: Ich sitze, gucke, staune, nippe am Kaffee und sinniere über den Kreislauf des Lebens. Ich hoffe, in den Zelten des Kilima Camp in der Masai Mara, in die ich nachher einziehe, geht das wieder besser.

Mit der harten Realität der anderen Welt, der der Menschen, werde ich schon früh genug wieder konfrontiert werden. Wer braucht also W-Lan?

Ein Kommentar

  • Kai Budde

    Über den Kreislauf des Lebens sinnieren, alles mal sacken lassen, alles entspannt reflektieren – geht eher offline! Also: der Welt entfliehen, abkapseln, Kenia und sich selbst erleben. (Der Haken: dann kann ich ja nix mehr lesen 🙂

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