„Ich kann das nicht!“, habe ich immer behauptet, wenn mal wieder einer wissen wollte, warum denn nur ich rudere oder skate und also immer so viel Aufwand betreibe, wenn ich ein bisschen schwitzen möchte, anstatt einfach ein bisschen zu … laufen … zu joggen? „Kann ich nicht! Nach ein paar Metern schon japse ich nach Luft und kann nicht mehr. Da mache ich mich ja lächerlich zwischen all den Sportstudentinnen und -studenten, die das Rheinufer mit großen, schnellen Schritten durchmessen“, war ich überzeugt.
„Du läufst zu schnell!“, bekam ich dann zu hören – von verschiedener Seite und ich fragte mich, woher die das wissen wollen. Haben die mich heimlich beobachtet? Mich gePRISMet? Vorgestern bestellte mich mein ewig junger Freund W. zum Lauf-Dich-ein zu sich nach Hause. „Ich zeig Dir das mal!“ sagte er und präsentierte als erstes … eine App. „Die misst, wie lange Du läufst, wie viele Kilometer, und wenn du mich als Freund addest“, sagte W., „können wir gegenseitig sehen, wieviel und wie oft der andere jeweils schon gelaufen ist“. Dann lief er los. Wobei … „laufen“ ..?
Es war ein sonnig heißer Tag, die Strecke ging um ein unbeackertes Feld. Er machte ganz winzige Schritte. Also machte ich auch ganz winzige Schritte, was bei einem Zwei-Meter-Mann wie mir nicht ganz einfach ist. Als wir wieder zu Hause waren, zeigte meine frisch gedownloadete App 3,66 Kilometer, die ich ohne einmal japsend Pause gemacht haben zu wollen, absolviert hatte. Und ich war ordentlich in Schweiß gebadet. Das war gut. Ich fühlte mich groß! Und das sagte ich auch meiner App, bei der ich meinen Gefühlszustand aus sechs unterschiedlichen Smileys ausgewählt definieren, die Streckenbeschaffenheit aus drei möglichen auswählen und dann noch eine kleine Notiz abgeben kann, wie’s so gewesen ist.
Und schließlich konnte ich noch sehen, dass mein ewig junger Freund W. – weil er schon den zweiten App-Lauf absolviert hatte – drei Kilometer mehr auf seinem Konto hatte. Da zeigte die neue App ihren ganzen Zauber: Sie wirkt, wie die Möhre vor der Nase, die den Esel antreibt.
Gestern habe ich W. überholt – auf meiner App liegt er jetzt knapp einen Kilometer hinter mir. Den Vorsprung muss ich ausbauen. Mit noch viel mehr kleinen Schritten …
Ein Gedanke zu “Die App vor der Nase …”