Nachbildung einer Oscar-Statuette
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Spannende Nacht mit ein paar seltsamen Oscars

Leonardo DiCaprio hat den Oscar bekommen. Man weiß nur nicht so genau, als was: Als Naturschützer? Minderheiten-Rächer? Oder doch als Schauspieler in The Revenant? Er weiß es wohl selbst nicht. Aber der Hype um ihn hat manch gelungene Oscar-Entscheidung vergangene Nacht an den Rand gedrängt.

Da stand der Ausgezeichnete auf der Bühne der großen Gala mit dem Preis in der Rechten. Er nehme diese Auszeichnung nicht als selbstverständlich, sagte er und forderte sein Publikum auf, ebensowenig diesen unseren Planeten als selbstverständlich zu nehmen.

Standing Ovation für den Klimaschützer mit dem Oscar

„Wir alle gemeinsam“, sagt er, müssten gegen den Klimawandel kämpfen. „Der Klimawandel ist real! Er ist hier! Er ist jetzt! Er ist die gefährlichste Bedrohung für unsere Art“, und da rannen Kate Winslet, seiner Partnerin aus Titanic die Tränen. „Und wir müssen für jene da draußen eintreten, deren Stimme ertränkt wurde durch eine Politik der Gier“, sagte der Mann, der gerade den Oscar als bester Hauptdarsteller in einem Kinospielfilm erhalten hatte. Das mit dem Filmschauspieler wäre beinah‘ untergegangen, wenn Leonardo DiCaprio dann nicht doch noch darauf hingewiesen hätte, dass die Filmproduktion weit Richtung Feuerland hatte reisen müssen, um genügend Schnee zu finden. DiCaprios Dankesrede, die mit Standing Ovation beklatscht wurde, war so politisch okay wie nervtötend verkehrt.

Es war im Vorfeld dieser 88. Oscar-Verleihung viel davon die Rede, dass doch der Star jetzt schon so oft nominiert war und er es doch einfach mal verdient habe – als sei Leo DiCaprio irgendwie anders, als die anderen ewig-nur-Nominierten – Al Pacino brauchte acht Anläufe, Komponist Randy Newman 16 Nominierungen, bis er für Toy Story endlich aufgerufen wurde. DiCaprio bekommt den Oscar nun für einen Film, in dem er nicht oscarreif spielt – wenn man mal davon absieht, dass es die Oscar-Academy großartig findet, wenn Schauspieler sich körperlich schinden für eine Rolle.

Morricone bekommt einen Oscar für eine 30 Jahre alte Komposition
Die Künstlerehre des Oscar rettete Hauptdarstellerin Brie Larson – zum ersten Mal nominiert. Sie wurde tatsächlich für ihr Spiel in dem Drama Raum (in Deutschland ab 17. März im Kino) ausgezeichnet. In dieser Rolle einer alleinerziehenden Mutter, der nach sieben Jahren die Flucht aus der Hand ihres Entführers gelingt, kann sie alles zeigen, was die Gefühlswelt hergibt – von Trauer bis Euphorie, von Liebe bis Zorn. Das macht Larson wie sich das gehört für eine Oscarkandidatin: ausgezeichnet.

Ennio Morricone war als Komponist schon sechs Mal nominiert, nie klappte es; 2007 bekam er mal den Oscar für sein Lebenswerk, da war er fast 80. Jetzt kam doch noch der richtige, filmbezogene Oscar für seinen Soundtrack zu Quentin Tarantinos The Hateful 8; ausgerechnet also für einen Score, den er ursprünglich für den Horrorfilm The Thing von John Carpenter 1982 komponiert hatte. Carpenter hat die Kompositionen dann nicht genommen, weshalb sie über 30 Jahre später – leicht modifiziert – in einem Tarantino-Western auftauchen konnten.

Bitterböse Scherze wider das weiße Establishment
Dieser ganze DiCaprio-Hype überlagerte die Spannung dieser Nacht, die groß wie lange nicht war. Wie würde der afroamerikanische Gastgeber der Show, der Comedian Chris Rock mit der #OscarsSoWhite-Diskussion umgehen? Er war spitz und böse: „Es sind die 88. Academy Awards. Das bedeutet, dass diese ganze Sache ohne schwarze Nominierte mindestens 71 andere Mal passiert ist, okay?“ In den 50er und 60er Jahre sei dies die Normalität gewesen, sagte er und fügte mit Blick auf die damalige Unterdrückung der Afroamerikaner in den Südstaaten hinzu: „Wenn deine Großmutter vom Baum baumelt, dann ist es ziemlich schwer, sich für den besten ausländischen Dokumentar-Kurzfilm zu interessieren.“ Diese Schärfe zog sich durch die ganze Gala und sie tat ihr gut.

Einen klaren Überflieger gab es an diesem Abend nicht. „Spotlight“ gewann zwar den Hauptpreis (und einen Oscar für das beste Originaldrehbuch), doch auch das postapokalyptische Werk „Mad Max: Fury Road“ hatte mit zehn Nominierungen nur zwei weniger als „The Revenant“ und ging mit sechs Oscars auf die anschließenden Parties.
„SoWhite“ waren die Oscars nur an der Oberfläche
So „weiß“ diese Oscars waren – unter der Oberfläche dominierten viele Minoritäten. „Mad Max“-Regisseur Miller ist Australier. Vor allem aber die mexikanische Kinostimme ist mit dem Erfolg von „The Revenant“ und seinen mexikanischen Machern unüberhörbar. „Lasst uns dafür sorgen, dass die Hautfarbe genauso unwichtig wird wie die Länge der Haare“, forderte Regisseur Iñárritu mit dem Oscar in der Hand. Vielleicht bewirkt das ja den langsamen, aber längst überfälligen Wandel in der US-Filmindustrie. Denn die Botschaft dieser Verleihung ist klar: Mehr Offenheit tun der Oscar-Academy und Hollywood insgesamt gut.
So politisch wie 2016 war der Filmpreis Oscar lange nicht – insofern geht dann auch der Oscar für den Besten Umweltschützer an Leonardo DiCaprio ganz in Ordnung.

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