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Medien,  Politik

Qualitätsjournalismus

An Tagen, nach denen sich in Deutschland eine neue Partei gegründet hat, kann man schön beobachten, wie Journalisten, Politiker (anderer Parteien) und sonstige Meinungsvervielfältiger ihren Job verstehen.

Heute, Montag, ist Tag 1 nach Gründung der Partei Alternative für Deutschland (die gerne ohne Anführungsstriche geschrieben werden möchte, mal sehen, wie lange das gut geht). Die Partei tut sich vor allem mit dem Programm „Raus aus dem Euro“ hervor. Sie will den Euro-Währungsraum sukkzessive auflösen, weil die AfD-Mitglieder glauben, die Sache mit der gemeinsamen Währung ohne gemeinsamer Politik funktioniere nicht, seit Jahren gehe es mit Währung und Menschen bergab. Dass es mit der Währung nicht gut steht, ist offensichtlich, dass es mit den Menschen – jedenfalls in Griechenland, Italien, Spanien und Portugal – nicht voran geht, weiß, wer kürzlich in einem dieser Länder war. In Athen schlafen sie zu Hunderten in öffentlichen Parks, weil sie keine Wohnung mehr haben. Die AfD sträubt sich nicht gegen Europa, nicht gegen den europäischen Gedanken. Sie sträubt sich lediglich gegen eine gemeinsame Währung für mehrere Länder, die alle eine unterschiedliche Politik machen – aber wirtschaftlich füreinander einstehen sollen.

Nun könnte man darüber ja streiten, sich über den richtigen Weg, über dieses Programm mit der AfD auseinandersetzen. Wo die Piraten vor lauter Transparenz kein Programm lieferten, mit dem sich der politische Gegner hätte auseinandersetzen können, dafür aber jede Menge Stoff, über den es sich zu tratschen lohnte – keine Frauen, sexy Frauen, Streithansel – liefert die AfD immerhin ein (Klein-)Programm, aber das ist offensichtlich zu kompliziert, um es dem Leser, Hörer, Zuschauer oder User in moderner Häppchenform darlegen zu können. Medien und Politik geißeln lieber den „rechten Weg“, meinen den „rechtsextremen“ Weg und machen aus den Euro-Gegnern Europa-Gegner; das sind nur zwei Buchstaben, aber diese zwei Buchstaben machen aus einem Anliegen eine braune Gesinnung.

Schon sprechen Michael Grosse-Brömer (CDU) und Patrick Döring (FDP) vor laufenden Kameras nur von „gefährlicher Nostalgie“ bei Leuten, die die D-Mark zurück haben wollten und vom Sammelbecken „nationalistischer Europagegner“. Nun gut, das sind Politiker 160 Tage vor der Bundestagswahl – die müssen Tatsachen wohl zurecht drehen, das liegt im parteipolitischen Blut. Und sie sind erfolgreich: Journalisten lassen in ihren TV-Berichten Cem Özdemir (Grüne) unwidersprochen lästern über „Kräfte, die sich antieuropäisch organisieren und positionieren“. Journalisten schreiben, wie in der gedruckten Ausgabe der „Süddeutschen Zeitung“ heute unter der Überschrift „Wenn gestern doch nur morgen wäre“ über eine Partei, deren Kürzel AfD den „Klang einer Kopfschmerztablette“ habe, deren Logo und Farben „aus Bleidruckzeiten zu stammen“ schienen, die Einladungen verschickt habe, die in „kasernenartigem Ton“ fordere, „ja pünktlich zum Gründungsparteitag zu erscheinen“.

Der SZ-Reporter Thorsten Schmitz beschreibt eine Partei, die „gute alte Behaglichkeit“ verspreche, „ein Kissen aus deutscher Währung und CDU-Werten wie Atomkraft, Wehrpflicht und Frauen am Herd“. Nichts von alledem steht im Programm – bis auf die Sache mit der Währung. Da heißt es bei der AfD, „Deutschland braucht den Euro nicht. Anderen Ländern schadet der Euro. Wir fordern die Wiedereinführung nationaler Währungen oder die Schaffung kleinerer und stabilerer Währungsverbünde. Die Wiedereinführung der DM darf kein Tabu sein.“

Ist das schon nationalistisch? Hat die „kleineren Währungsverbünde“ nicht auch schon Wolfgang Schäuble und andere Hochkaräter beschworen – Stichwort: „Nord-Euro“, „Süd-Euro“? Kann die AfD etwas dafür, dass – wie der SZ-Reporter beobachtet – die Neugründung auch „Applaus vom rechten Rand“ bekommt. Bekommt nicht jede Parteigründung stets als Erstes Besuch vom Rechten Rand, weil die braunen Brüder überall versuchen unterzuschlüpfen?

Die Wahrheit scheint eher: Die Partei ist für Schwarz-Gelb gefährlich, das zum Regierungskurs in Sachen Euro „keine Alternative“ zu haben behauptet. Das Programm ist für die SchnellSchnell-Medien, die alle Stunde neue Schlagzeilen, neue Drehs, Bewegung auf ihrem News-Portal brauchen, zu komplex.

Es ist vielleicht einfacher, sich ein bisschen lustig zu machen über die „Alt-Herren-Partei“ mit den Professoren. Wird dann schon nicht so schlimm werden. Mich macht das misstrauisch, wenn alle so am gleichen Strang ziehen.

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