• Katze zu Besuch

    Maunz

    Ein Hund denkt: „Mein Mensch gibt mir Heimat, umsorgt mich, gibt mir Futter. Er muss Gott sein!“ Eine Katze denkt: „Mein Mensch gibt mir Heimat, umsorgt mich, gibt mir Futter. Ich muss Gott sein!“ Kurz: Katzen brauchen Dosenöffner, keine Freunde. Diese über die Sozialen Medien, Filme und Ratgeber-für-die-einsame-Hausfrau ventilierte Erkenntnis kann ich mit Erfahrungen mit unserer einstigen Familienkatze, Ming-Küng, unbedingt unterstreichen: Ohne Futter kein Schmusen. Seltsames Gomera: Ich habe seit zwei Tagen eine neue Freundin. Sie hat ein abgebissenes Ohr, ein Auge, dessen offensichtlich gewaltsam untermalten Werdegang ich nicht so genau wissen möchte. Aber sie hat ein seidenes Fell – anders als all die verfilzten Felidae, die ich in Griechenland,…

  • Rucksack Cougar 45

    Abenteuer im Sack

    Der letzte Tag ist angebrochen. Reinhard konnte seine Lieben zu einer letzten Wanderung überreden, „eine Stunde hin, eine zurück, schöne Eindrücke“. Ich bin zurückhaltend, was solche Beschreibungen angeht, was daran liegt, das auch eine-Stunde-hin-eine-zurück nicht immer ohne Knochenbrecherabstiege abgeht und ich Zivilisationsopfer Panik schiebe, ich könnte mir auf den abschüssigen Wegen über Stock und Stein den Fuß verrenken, brechen, abreißen, was auch immer – ich bin grundsätzlich mehr für das zu haben, was der Wanderführer „relativ ebene Strecke“ oder „Forstwanderweg“ nennt. Wirklich misstrauisch gegenüber Reinhards eine-Stunde-hin-eine-zurück-Schilderung aber macht mich der Rucksack, den er stets mitführt, einen Cougar 45, dessen Hersteller von perfektem Sitz „dank ErgoVent-Vario-Tragesystem“ schwärmt und „Ergonomisch geformte, verstellbare…

  • Schilderwald: Überholen verboten - Überholverbot aufgehoben

    Überholte Programme

    Auf der Rückfahrt vom Strand in Alojera frage ich mich mal wieder, ob das alles so richtig ist und da kommt dann der deutsche Nachrichtenredakteur in mir durch, der andauernd darüber berichtet, dass GriechenlandIrlandSpanienPortugal wieder Geld aus einem dieser Euro-Rettungsfonds brauchen und, hey, wir helfen doch gern. La Gomera ist eine südeuropäische Insel mit Bergen. Als solche hat sie sehr kurvige Straßen, der mitteleuropäische Familienvater schnalzt nonchalant von „Serpentinen„. Wie der Spanier sie nennt, weiß ich nicht, aber dass ihm vor jeder Kurve gesagt werden müsste, dass er in dieser Kurve nicht überholen darf (und auch unter keinen Umständen überholen sollte, weil, lebensgefährlich und so), das kann ich nicht glauben.…

  • Eine tote Taube liegt vor der Ermita del Santo in Arure

    Spektakel

    Vor der Ermita del Santo in Arure liegt eine tote Taube. Grün schillernde Fliegen haben mit dem Sezieren begonnen. Es gibt schlimmere Orte zum Sterben. Der Blick von hier oben ins Tal von Taguluche, dem Nachbartal nördlich unseres Valle Gran Rey, ist groß. Noch einen Barranco weiter rechts liegt Alojera, ein Dörflein mit Strand, von dem Reinhard, Britta und P. beständig schwärmen und wohin man nur über eine bisweilen abenteuerliche Serpentinenpiste kommt. Dort ist, abgesehen von einer Bar und ein paar angeschimmelten Häusern noch ein Steinstrand mit sehr klarem Wasser mit Regenbogenfischen drinnen. Eingefasst ist das Ganze auf drei Seiten von hohen Felsen. Es ist nicht weiter schlimm, dass der…

  • Der Valle-Bote im Zeitungsständer

    Zentralorgan gewesener Hippies

    La Gomera wurde in Deutschland durch seine Aussteiger bekannt. Viele sind wieder weg, manche leben am Playa de las Arenas, den Einheimische „Die Schweinebucht“ nennen. Der Rest arbeitet im Tourismus, der einzigen Branche, in der man hier neben dem Bananen-Geschäft seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Über die Jahre hat sich im Valle Gran Rey eine Enklave gebildet: deutsche Zahnärzte und Steuerberater, deutsche Bäcker, Juweliere und Masseure. Die Deutschen bleiben unter sich. Ihr Zentralorgan ist der Valle Bote – „Auf Gomera geliebt – In der Welt beachtet“, wie er unter seinem Titel stolz verkündet. Das vier mal im Jahr erscheinende Blatt besticht durch sarkastisch-ironische Texte, deren meist magerer Informationsgehalt sich zwischen den…

  • Abendspaziergang in La Playa de la Calera

    Grauschimmer

    Es ist Mittwoch. Der letzte Mittwoch unseres Urlaubs. Es wird Zeit, die Rückreise ins Auge zu fassen. Unsere Fähre verlässt San Sebastian Sonntagmorgen um neun Uhr, das heißt, wir müssen hier in La Calera um sieben Uhr mit gepackten Sachen ins Taxi steigen. Wir haben entschieden, unseren Mietwagen hier abzugeben und ein Großraumtaxi zu chartern – das macht alles etwas einfacher. Unentschieden ist noch, ob wir, wie Reinhard das möchte, um viertel vor sieben losfahren, „um genügend zeitlichen Puffer“ zu haben, oder ob wir um sieben Uhr losfahren, was Britta und ich als zeitlichen Puffer ausreichend finden, legt man zugrunde, dass die einfache Fahrt über die Insel im Schnitt 45…

  • Sonnenuntergang über La Gomera

    Die Tochter des Restaurantbesitzers

    Ein bisschen romantische Träumerei darf sein zwischen Sonne, Strand, Meer und dem Charme südländischer Schönheiten. Dieser Traum beginnt mit einem Lächeln im Sommer 2012. Ich saß in einer Bodega an der Strandpromenade in La Playa de La Calera. An meinem Tisch vorbei promenierten Familien, aufgebretzelte Jugend, es war Samstagnachmittag, man sah und wollte gesehen werden vor der abendlichen Wochenendbeschallung. Ich tue selten Zucker in meinen Kaffee aber heute tat ich es – spanischer Kaffee ist bitter. Ich blickte auf und in ein schönes Gesicht. Das war nun zunächst noch nichts Erwähnenswertes, schöne Spanierinnen hatte ich in den vergangenen Tagen viele gesehen. Aber dieses Gesicht … ließ mich unwillkürlich lächeln. Ich…

  • Nachts auf der Terrasse

    Temperatursturz

    „Kannst Du meinen Pullover mitbringen? Der liegt in der mittleren Schublade!“, ruft P. ihrem Vater hinterher, der sich seinen Jack-Wolfskin-Sweater holen geht. Wir sind auf La Gomera. Die Zeit: etwa 23 Uhr. Temperatur: um die 25 Grad. Celsius. Reinhard friert, fürchtet um seine Fitness, wenige Stunden bevor er morgen ein zweites Mal auf das Rad steigen möchte. „Ideale Rahmenbedingungen“, hat wetteronline.de ihm versprochen. „Boah, beim Anstieg nach Arure habe ich leichten Gegenwind, das ist der Hammer!“, freut er sich. Gegenwind? Auf dem Fahrrad?? Wenn’s bergauf geht??? Ja, sagt Reinhard, bei Fahrtwind im Rücken „fließt einfach nur die Soße, da isses heiß und Du schwitzt.“ Ätzend. Deswegen möchte er sich heute…