… der Kinder wegen
Gemäß einem alten Urlaubsrhythmus – ein Tag Action, ein Tag Ruhe – habe ich unsere Sonnenterrasse zum Programmpunkt erhoben. Die anderen sind shoppen, am Strand, spazieren (nicht wandern), ich habe dem Tag beim Werden zugesehen.
Dabei fällt mir der kleine Junge wieder ein, der neulich Abend am Nachbartisch saß. Ich hatte ein Foto unserer kleinen Tischgesellschaft gemacht, im Monitor der Kamera überprüft und, weil es nicht ordentlich belichtet war, gelöscht und neu versucht – drei Mal habe ich das gemacht, bis es passte. Ich setzte mich hin und trank einen Schluck Wein.
Dann fiel mir der Junge auf, vielleicht sechs, sieben Jahre alt. Er blickte angestrengt auf den Monitor eines kleinen Fotoapparates, klickte, schaute wieder, klickte noch einmal und murmelte unverständliche Kommentare. Sein jüngerer Bruder langweilte sich und die Mutter, die zwischen beiden saß, versuchte, beide zum Essen zu bewegen. Einen Vater gab es hier nicht.
Machte der Junge mich nach und versuchte, Kontakt aufzunehmen? Seither beschäftigt mich die Frage, ob ich (und meine Geschlechtsgenossen) vaterlosen Jungs als (Rollen)Vorbild tauge. „Nur bei Grün! Der Kinder wegen!“ steht manchmal noch an Fußgängerampeln. Möglicherweise gilt diese Vorbildfunktion nicht nur da, sondern bei jedem Schritt, den wir in der Öffentlichkeit machen. Für Eltern mag das ein alltäglicher Gedanke sein. Für mich nicht.
Auf der Terrasse, unserem Dach der Welt, griff ich nach meinem Roman – Jan Brandt: Gegen die Welt – und beschloss, es für heute mit der Vorbildfunktion gut sein zu lassen. Heute Abend erwartet mich bei „Sebastian“ ein fantastischer Thunfisch.