Lorbeertradition
Es ist gute Tradition, den ersten Ausflug auf La Gomera dem Lorbeerwald zu widmen. Also, ich habe natürlich keine Ahnung, ob es gute Tradition ist, aber 2012, 2013 und eben auch in diesem Jahr ging unsere erste Reise in den Lorbeerwald im Parque Nacional de Garajonay. Weltnaturerbe der UNESCO. Europäisches Vogelschutzgebiet. „Nirgendwo“, sagt Reinhard, „ist die Luft sauberer als hier“. Der Wald erstreckt sich über knapp 4.000 Hektar, ein Zehntel der ganzen Insel. „Der größte Lorbeerwald des Planeten“, sagt Reinhard, der offenkundig ganz vernarrt ist in diesen Flecken Erde – was nur zu verständlich ist.
Der Wald war mal viel größer, 90.000 Hektar, verteilt über die gesamten Kanaren. Dann kamen die Europäer und der Wald schrumpfte und schrumpfte. Die Menschen auf La Gomera waren gewarnt und schützten ihren Wald, so gut es ging, überzeugt, dass der Lorbeerwald zeige, wie es auf der Welt vor vielen Millionen Jahren mal ausgesehen haben könnte.
Aber auch, wenn es ganz anders ausgesehen haben könnte, haben die Gomeros doch eine schöne, weil tragische Liebesgeschichte hier enden lassen, die Geschichte der schönen gomerianischen Prinzessin Gara und und des Bauernsohns Jonay aus Teneriffa. Die Verbindung stand unter keinem guten Stern, ein Priester soll für den Fall ihrer Eheschließung großes Unheil geweissagt haben – möglicherweise nicht verwunderlich, könnte man glauben, bei Prinzessin und Bauernsohn. Aber dann, Hochzeitstag, Ja-Wort, die Erde bebt, der Vulkan Teide speit, die Adelsfamilie unterbindet die Zeremonie in letzter Sekunde.
Aber Liebende lassen sich nicht trennen und so trafen sich Gara und Jonay heimlich wieder. Gemeinsam floh das Paar in die dichten Wälder auf La Gomera, sahen als letzten Ausweg eine an beiden Enden angespitzte Lanze aus Lorbeerholz, die sie sich durch die Brust stießen. In inniger Umarmung ging das Liebespaar in den Tod. Seit jenen Tagen irgendwann im 15. Jahrhundert trägt der höchste Berg und der heutige Nationalpark auf La Gomera den Namen Garajonay.