Der Valle-Bote im Zeitungsständer
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Zentralorgan gewesener Hippies

La Gomera wurde in Deutschland durch seine Aussteiger bekannt. Viele sind wieder weg, manche leben am Playa de las Arenas, den Einheimische „Die Schweinebucht“ nennen. Der Rest arbeitet im Tourismus, der einzigen Branche, in der man hier neben dem Bananen-Geschäft seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Über die Jahre hat sich im Valle Gran Rey eine Enklave gebildet: deutsche Zahnärzte und Steuerberater, deutsche Bäcker, Juweliere und Masseure. Die Deutschen bleiben unter sich. Ihr Zentralorgan ist der Valle Bote – „Auf Gomera geliebt – In der Welt beachtet“, wie er unter seinem Titel stolz verkündet.

Deutsche Metzgerei in Vueltas

Das vier mal im Jahr erscheinende Blatt besticht durch sarkastisch-ironische Texte, deren meist magerer Informationsgehalt sich zwischen den Zeilen erschließen lässt. Auf der aktuellen Homepage freut sich die hauptsächlich aus zwei Personen bestehende Redaktion, dass die Feuer in Vallehermoso unter Kontrolle sind – datiert ist die Meldung mit „14.8.“, die Jahreszahl fehlt, aber es muss sich um 2012 handeln, in diesem Jahr gab es keine nennenswerten Feuer.

Die Autoren philosophieren breitflächig über den Inselkoller der weiblichen Residentes (denen kontinentales shoppen und Konzerte fehlten) und vergleichen ihn mit dem Burn-Out-Syndrom deutscher Touristinnen (denen sich sonnen und spanisches Laissez-faire fehlten) und stellen fest: Beides beschreibt dasselbe.

Besonders gern ätzt die Redaktion gegen gewählte Volksvertreter, die dem Blatt zufolge in ihrer Mehrzahl in Schmiergeschäfte verwickelt sind, und gegen ihre Landsleute – „pauschalreisende Schnabeltässler an der Puntilla, die sich auf ihrer Appartement-Terrasse in Ruhe ihre Abendbrot-Tomate teilen“.

Supermercado in Vueltas

Dieser „Gomera Qualitäts-Tourist“ fühlte sich dem Blatt zufolge jüngst von spanischen Fährfrauenliedern gestört, die „Friedenssänger/Innen zum Wohle der Erde am Strand angestimmt“ hatten, und riefen wegen Ruhestörung nach der Polizei. Spitz notiert der Valle Bote, dass die Gesänge am Strand sowie das dabei zusammengesammelte Geld auch „einige Damen unseres deutsch-gomerianischen ‚Kulturvereins‘ aufregte, die sich die Kohle lieber in die eigene ‚gemeinnützige‘ Tasche gesteckt hätten. Die gifteten nun gegen die Gesänge der ‚pseudo-heiligen Tanten‘.“

So hatte man sich Aussteigers Gesellschaftsparadies immer vorgestellt: Jeder giftet gegen Jede, niemand gönnt der anderen das Schwarze unterm Fingernagel – jedenfalls, wenn man dem „Valle Boten“ glaubt, der in der Tradition deutscher Szeneblätter aus den 70er Jahren die giftige Begleitmelodie dazu spielt … und den Britta abonniert hat.

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