Konzert: Hans Zimmer vs. John Williams
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Das ungleiche Duell

Hans Zimmer vs. John Williams – ein Konzertbesuch.

Filmmusik. Das sind die Melodien, die im Kino Emotionen begleiten oder hervorrufen sollen. Perfekt ist sie, wenn sie nicht wahrgenommen wird, Du aber auf dem Heimweg diesen Rhythmus schnipst, diese Melodie summst, die Du nicht zuordnen kannst. Von der Du aber weißt, dass sie im Kinosessel eben echt existenziell war.

Filmmusik gehört in den Film. Sie ist nicht gedacht für eine konzertante Aufführung ohne diesen Film. Aber die Marketingleute haben natürlich dennoch einen Weg gefunden, diese Musik zweitzuverwerten.

Ich sitze in der Rheingoldhalle zu Mainz im Konzertabend „Hans Zimmer vs. John Williams“, in einem kompositorischen Duell also zwischen zwei der bedeutensten Filmkomponisten der vergangenen 30, 40 Jahre – und da will ich sicher nicht die Bedeutung von James Newton Howard, Steve Jablonsky, James Horner, Danny Elfman oder Ludwig Göransson schmälern; von Jerry Goldsmith, Henry Mancini, Maurice Jarre, Miklós Rósza, John Barry oder Bernard Herrmann, die ihre Lorbeeren alle in früheren Jahrzehnten schon geerntet haben, ganz zu schweigen.

Williams und Zimmer haben mein Kinoleben entscheidend begleitet. Erst Williams mit Jaws, Unheimliche Begegnung der III. Art, Star Wars, Indiana Jones, der, weil er jeden Frame mit Klängen unterlegte, aus jedem Film ein Musical machen wollte; und später Hans Zimmer, der Frankfurter Bub, der sich mit dem Score zu Ridley Scotts Gladiator (2000) derart in meine Gehörgänge hämmerte, dass ich ihn nie wieder los wurde.

Das Konzert, in dem ich in der Rheingoldhalle sitze, ist maximal unfair. Die Komponisten werden gegeneinander positioniert jeweils ohne ihren Markenkern, das Bild. Die Melodien sind Melodien, dargereicht von einem 70köpfigen Orchester auf der Bühne, mal wunderschön, mal ergreifend, mal gänsehautig. Aber eben ohne die orignär eben doch entscheidenden Bilder dazu.

Da kann Hans Zimmer nur verlieren.

Max Moor, der Moderator der ARD-Kultursendung „Titel, Thesen Temperamente“, der das ukrainische Orchester als Conférencier durch den Abend begleitet, gibt sich alle Mühe, bei der Wahrheit zu bleiben, erklärt also Hans Zimmer zum „Soundtüftler“, der sich schon mal fragt, wie es wohl klingt, „wenn man einen Flügel mit der Motorsäge zerteilt“ und der seine musikalischen Dramaturgien am heimischen Syntheziser entwickelt, während John Williams einfach großartige Orchester-Kompositionen mit einem vor ihm sitzenden Orchester entwickelt.

Hans Zimmer verliert an diesem Abend. Zwei seiner in meinen 63 Jahre alten Ohren wunderbarsten, großartigsten Filmkompositionen überhaupt – Chevaliers de Sangreal (aus DaVinci Code) und Time (aus Inception) –, verbocken die Produzenten des Abends total – weil irgendwer im Vorfeld glaubte, die Musik des introvertierten Soundtüftlers in eine für die Bühne gefällige Orchestershow umkomponieren zu müssen. Zimmers elegisch bombastische Melancholien geraten live zur Enttäuschung. John Williams‘ Orchester-Hymnen dagegen perlen den Streichern, Bläsern und Percussionisten wie Tropfen aus ihren Fingern. 

Es war ein großartiger Abend. Weil er mir wieder vorgeführt hat, wie wenig meine Augen im Kino sehen, wenn die Ohren nicht mitspielen.

Ich finde im Kinosessel immer noch, dass John Williams-Filme mit zu viel Musik zugesoßt werden und Hans Zimmer-Filme grandiose Scores bieten. Aber live on Stage? Ich hatte vor lauter Bildern im Kinosessel vergessen, was für wunderbare Harmonien John Williams komponiert hat; das Orchester startete mit den Endtitles zu E.T. in den Abend, später folgten die Main Themes zu Harry Potter, Jurassic Park und Indiana Jones – wie unvergleichlich wunderschön!

Und dass ich nach diesem Konzert erst um 6 Uhr am nächsten Morgen ins Bett kam, lag dann daran, dass ich die auf der großen Bühne verstolperten Zimmer-Kompositionen nochmal in meiner Mupfel ganz für mich hören wollte, so wie sie sich gehören: introvertiert, elegisch, bombastisch. Ich konnte nicht aufhören.

Danke für diesen inspirierenden Abend!

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