Robin Wright als Claire Underwood in der TV-Serie House of Cards
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Alt. Weiß. Frau.

Frauen sind bessere Menschen: Sanfter. Kommunikativer. Und die Babies bekommen sie auch. Die jüngste Staffel „House of Cards“ spielt ein Matriarchat durch. Und kommt zu dem Schluss: Alles gleich! Missbraucht werden nur jetzt die Männer.

Okay, Ich bin das neue Feindbild. Alt! Weiß! Mann! Ich habe eigentlich mein Leben lang – naja, okay, erst ab meinen 10er Jahren, also ab den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts – versucht, ein guter Mann zu sein, also einer, der Frauen nicht als Frauen und Männer nicht als Männer sieht, sondern beide einfach als Menschen, Freunde, Kollegen. Und wenn ich mich zu einer Vertreterin des weiblichen Geschlechts hingezogen fühlte, dann war ich unsicher und schüchtern genug, um nicht, wie man heute sagt, übergriffig zu werden.

Ich halte mich fern von den sozialen Gefahren, die das Leben verschiedener Geschlechter so mit sich bringt, ich hatte Zeit meines Berufslebens Frauen als Vorgesetzte, Redaktionsleiterinnen, die das Programm meiner Sender und Online-Publikationen bestimmen hätten können (wenn, oder dass sie das nicht konnten, geht wirklich nicht auf meine Kappe), also ich bilde mir ein, wirklich gar nichts unternommen zu haben, um Frauen das Gefühl zu geben, ich unterdrückte sie oder versuchte, sie qua ihres Geschlechts weniger Wert zu schätzen. Und das hat mir – ganz ehrlich!! – nichts ausgemacht. Ich bin nicht sehr ehrgeizig. Ich mache halt gerne mein Ding, das, was ich gut kann und gerne tue. Dafür brauche ich in erster Linie keine Chefposition. Wenn diese Position eine Frau haben will … soll sie.

Habe ich in der #MeToo-Agenda also eine Weiße Weste? Vermutlich nicht. Die Frauen, die in meinem Leben vorkommen, können mir wahrscheinlich das ein oder andere Staubkorn auf ihr zeigen. Männer merken ihre Fehlungen ja nicht, lese ich. Aber ich glaube, ich kann mir das #MeToo-Schauspiel im allgemeinen von der Seitenlinie aus anschauen mit Neugier darauf, was da wohl entstehen könnte.

Und dann kommt die sechste Staffel von „House of Cards“. Das ist die Staffel, die Kevin Spacey rausgeschmissen hat, einen schwulen, vielleicht bisexuellen Schauspieler, der zugegeben hat, als mächtiger Theaterboss in London junge, hoffnungsfrohe Theatermitarbeiter sexuell bedrängt, vielleicht vergewaltigt zu haben. Das ist, da brauchen wir uns nicht mit aufhalten, indiskutabel, nicht hinnehmbar, ein Machtmissbrauch mit Sternchen.

Kevin Spacey hat sich aus der Öffentlichkeit ganz zurückgezogen – naja, fast zurückgezogen. Zumindest als Frank Underwood überraschte er uns an Weihnachten mit einem dreiminütigen Statement, dessen zentrale Aussagen an die Zuschauer lauten: 1.) „Sie werden doch nicht unbewiesenen Behauptungen glauben“, 2.), „Sie glauben doch nicht, dass ich klein bei gebe wegen unbewiesener Behauptungen, wo ich doch sogar nach bewiesenen Behauptungen nicht klein bei gegeben habe“ und 3.) „Sie wollen mich doch wieder haben.“

Aber Franks/Spaceys überraschende – in meinen Text hinein grätschende – Weihnachtsansprache ist hier nicht das Thema. Spacey ist das ultimative Monster, das in der heutigen Zeit notwendige Anti-Gesicht der #MeToo-Kampagne. Er ist leichtes Ziel, kann sich nicht mehr wehren. Niemand würde ihm irgendwas glauben wollen. Er ist in der Außenwahrnehmung zu jenem Bösen geworden, das er so nuanciert in seinen Filmen verkörpert hat. Aus der sechsten und letzten Staffel der NETFLIX-Serie „House of Cards“, die er mit adaptiert hat, wurde er, da hatten die Dreharbeiten schon begonnen, nach Auffliegen der Erkenntnisse wieder rausgeschrieben, er war zu einem Geschäftsrisiko des NETFLIX-Konzerns, der mit „House of Cards“ erst groß wurde, geworden. In den ursprünglichen Plänen hätte sich Francis, der Mann, in dieser Staffel sein US-Präsidentenamt zurückerobern sollen von seiner Frau, die es ihm mit List und Tücke abgenommen hatte.

Ab jetzt wird gespoilert!

Nach fünf Minuten der ersten Folge dieser sechsten Staffel ist klar, Spaceys Charakter, Präsident Francis Underwood, ist rätselhaft verstorben. Seine Frau Claire hat das Amt endgültig übernommen und räumt in den kommenden acht Episoden dieser letzten Staffel kunstvoll alle Männer – und ein paar Machofrauen – aus dem Weg und bereitet den Pfad des Matriarchats: Der wirtschaftlich potente Konzernlenker, der sie mit Intrigen aus dem Weg räumen will, geht an einer Influenza zugrunde. Dessen Frau … nein, übernimmt nicht wirklich, sondern hatte immer schon die Fäden in der Hand. Der omnipotent erscheinende US-Vizepräsident wird, seiner männlichen Ehre beraubt, entmachtet, und Doug Stamper, der fünf Staffeln lang dunkle Mann im Hintergrund, der loyale Mann, der Killer, der an Zuschauer statt Leidende am ganzen System, liegt am Ende jammernd und ausblutend im Oval Office, während die rittlings auf ihm sitzende Präsidentin ihm den Dolch ins Herz treibt. Es wird in dieser Serie enteiert, was das Zeug hält.

Zur Halbzeit schon ist das Kabinett, besetzt mit alten weißen Männern, ausgetauscht gegen eine Riege Frauen, die wahrscheinlich – so genau erfahren wir das nicht – kompetent, auf jeden Fall aber aufstrebend sind. Und über Francis Underwood, den großen Abwesenden in dieser Staffel, heißt es mehrfach in Gesprächen mächtiger Frauen, unter denen seine Ehefrau Claire ist, er sei erotisch ein Schlappschwanz gewesen, einer, für den sich nun wirklich keine Frau lustvoll ausgezogen hätte, noch dazu einer, der ganz allein die Welt in den Abgrund treiben wollte, nur um seine Macht zu sichern. Typisch Mann. Was für ein Arschloch. Ein anderer Mann, eben Doug Stamper, wollte Francis‘ Reputation vor der weiblichen Ranküne retten, schafft es aber nicht mehr. Die Frauen haben gesiegt. Natürlich wissen alle Zuschauerinnen und Zuschauer, die die fünf vorherigen Staffeln gesehen haben, dass Francis Underwood genau das machtgeile Arschloch war, als das Claire, seine Witwe, ihn nun hinhängen will. Nur ist Claire viel verschlagener. In dieser letzten, unfreiwillig umgeschriebenen Staffel stellt sich heraus, dass Claire schon als junges Mädchen in Francis Underwood nicht etwa verliebt war, sondern nur seinen rücksichtslosen Willen zum Aufstieg geschätzt hat. Gefühle? Sind was für Weicheier! Willkommen in der Epoche der mächtigen Frau.

Die Serie endet mit einem Bild – und damit mit einer Aussage – die auch im Schlussbild der Staffel 5 schon stand: „It’s my Turn!“ raunte Claire, die siegreiche Ehefrau damals. Im Schlussbild der Staffel 6 sitzt sie machtvoll auf dem sterbenden letzten Hindernis ihrer Karriere und grinst spöttisch in die Kamera. Aussage: Frauen sind so skrupellos wie Männer. Oder: Frauen können, was Männer können. Oder: Frauen sind die raffinierteren Strippenzieherinnen und Killerinnen. Oder: Was auch immer. Zwar geriert sich diese (mutmaßlich) letzte Staffel als Frauenversteherin, als #MeToo-Freundin. Aber letztlich sagt sie nur, dass Frauen, die versuchen, ihre Männer zu übertrumpfen, auch nicht besser sind als ihre Männer.

Auf das neue Gesellschaftsbild einer Frauenpower warten jene, denen es egal ist, welches Geschlecht gerade die Kommandos gibt, noch.

Die mediale Gesellschaft des Jahres 2018 hat als Feindbild den Alten Weißen Mann erkannt. Und dagegen lässt sich in Zeiten von Social Media und Ich-hab-Rechter-als-Du-Geschrei nicht ankämpfen. Als der Abspann der letzten Folge der letzten Staffel der ehemaligen Kevin-Spacey-Serie „House of Cards“ läuft, ergebe ich mich: Ich, Jahrgang 1961, bin heute alt, weiß und männlich. Das tut mir nicht leid, ich kann ja nichts dafür. Es ist halt so. Ich habe mich immer um Fairness bemüht. Bitte macht mein Ende kurz und schmerzlos.

Zum Glück ist es nur Fernsehen.

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