Wir und Ihr
Safari ist wie Whale watching, nur effektiver. Während Du auf See nicht siehst, wo die Wale gerade sind, kannst Du die Tiere in der Savanne gar nicht nicht sehen. Sie sind überall. Horden von Zebras, von denen keines dem anderen gleicht – „They are unique like Fingerprints“, sagt mein Guide, der sich mir als Nixon vorgestellt hat – ich habe mich nicht getraut zu fragen, ob das sein richtiger Name ist, britische Kolonie hin, Besatzerkinder her, ich hätte einen … kenianischer klingenden Namen erwartet; der exotischste Name, der mir in meiner Lodge begegnet, ist Suleyman. Andere heißen Dominic, Joseph, Titus.
Jedenfalls: Zebras sind so eindeutig unterscheidbar wie Fingerabdrücke. In Horden stehen Gnus herum, deren einziger Lebenszweck scheint, gegessen werden zu müssen. Aber gilt das hier nicht für alle Tiere in der (sic!) Nahrungskette unterhalb der Löwen? Welchen anderen Zweck haben Zebras, die nicht mal geritten werden können, weil ihre Knochen zu schwach sind? Welchen anderen Zweck haben die Giraffen, die in kleinen Gruppen und hundert Meter Sicherheitsabstand neben uns herstolzieren? Welchen anderen die tausenden von Gazellen, die Gras rupfen und aufmerksam ihre Sinne überall haben?
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Aber welchen Zweck haben dann die Elefanten, die gerade unseren Weg kreuzen, so nah, dass ich sie fast berühren kann? An Elefanten trauen sich Löwen nicht heran. Wie ist das mit dem viel beschworenen Circle of Life? Dient der entspannt wirkende Elefant dem Mensch als gefährlichstem aller Raubtiere lediglich als lebendes Elfenbeinlager und Nutztier für Schwerlasten? Ist also tatsächlich der Mensch die Krone der Schöpfung? Wessen Schöpfung dann? Das Ökosystem jedenfalls hält er nicht im Fluss.
Es heißt, stürben alle Bienen auf der Welt, stürbe die Menschheit innerhalb von wenigen Jahren aus. Wären alle Tiere in der Savanne weg, dahingerafft von Elfenbeinjägern, Freizeitresort-Architekten, Bodenschatzjägern und Parkplatzfetischisten, was würde dann passieren mit dem Ökosystem Erde? Der seit Jahrhunderten immer gleiche Tagesablauf der Tiere hier – aufstehen, fressen, zur Wasserstelle pilgern, warten, fressen, trinken, selber gefressen werden oder zurück nach Hause, schlafen – muss mehr sein, als ein zufällig entstandener, sich selbst genügender Kreislauf.
Safari ist wie Whale watching. Ich komme auf den Gedanken, dass wir hier nichts zu suchen haben.