Was ich heute kann besorgen …
„Was machst‘n jetzt so?“ Schwer zu beantworten, die Frage. Diesen Text zum Beispiel schreibe ich gerade im Bett – am hellichten Tag. Ich muss heute nirgendwo hin. Und schreiben kann ich überall, also warum nicht hier? Hier überkam mich die Idee, das aufzuschreiben, also los geht‘s. Warum erst aufstehen?
Zwanghafte Ermahnungen
Das war doch jetzt gar nicht so schwer zu beantworten. In Worten nicht. Aber darf man das? Einfach so im Bett bleiben? Ich meine: Ist das gesellschaftlich okee? Luxusproblem! Es ist etwas anderes, immer nur zu sagen, wenn ich dann im Vorruhestand bin, habe ich keinen Termindruck mehr und dann im Vorruhestand langsam zu lernen, dass ich, was ich heute kann besorgen auch ruhig verschieben kann auf morgen.
Bisher habe ich meinen Resturlaub abgefeiert und in der Zeit war allerlei zu erledigen – Arztbesuche, Regatta-Training und so; nichts Stressiges, aber halt bunte Flecken in meinem Kalender, die irgendwas zu erledigen bedeuteten. Jetzt ist es ruhig geworden. Ich muss auch nächste Woche nicht ins Büro. Übernächste Woche auch nicht.
Dauernd ertappe ich mich, dass ich mich selbst ermahne, dass es so aber nicht bleiben könne. Fast zwanghaft ist das. Also schreibe ich gleich zu Beginn dieses Textes, dass es schwer sei, die Frage, was ich denn so mache, zu beantworten, setze mich quasi selbst ins Unrecht, weil ich ja weiß, dass „man sowas nicht macht“. Komisch: Monatelang habe ich den Leuten, die immer wissen wollten, ob ich mir im Klaren sei, was da auf mich zu käme, dass ich einen Grund haben müsse, aus dem Bett zu kommen, was ich denn dann vorhabe, erklärt, ja, das sei mir klar und ich fände schon Gründe und dass ich erstmal herausfinden müsse, was ich denn künftig machen wolle und diese Zeit würde ich mir nehmen. Jetzt nehme ich mir die Zeit im Bett und habe ein schlechtes Gefühl.
Die Sache mit der Verantwortung dem Leben gegenüber
Darf ich mich bei Tageslicht vor den Fernseher setzen und die letzten fünf Folgen der zweiten Staffel „Scandal“ gucken? Werde ich damit meiner Verantwortung dem Leben gegenüber gerecht? Während ich das hier schreibe, haben meine ehemaligen Kollegen aus der Nachrichtenredaktion vier Push-Meldungen auf mein Telefon geschickt – IS-Verdächtige in Deutschland gefasst, EZB-Leitzins bleibt bei Null, IS-Verdächtige planten Anschlag in Düsseldorf, Türkei ruft Botschafter aus Berlin ab – vier Push-Meldungen innerhalb einer halben Stunde. Sowas habe ich die letzten 14 Jahre in ähnlicher Form auch gemacht. Bin ich damit der Verantwortung meinem Leben gegenüber mehr gerecht geworden?
Ich gehe dann mal „Scandal“ gucken.
Ein Kommentar
Kai Budde
Das Ende einer Deadline … geradezu feuilletonistisch …