Auf nach Digitalien
Ich habe einen Account bei Facebook. Ich bin bei Twitter. Auf Instagram lade ich bisweilen Bilder hoch. Bei Pinterest bin ich auch immer noch. Seit neuestem probiere ich mich auf Snapchat. All diese Accounts sinnvoll zu steuern, sie vernünftig zu nutzen, erfordert andere Skills, als sich in ein Auto zu setzen, zur Arbeit zu fahren und im analogen Miteinander das Leben nicht den Bach runter gehen zu lassen.
Als Christoph Hartung eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem digitalisierten Hologramm verwandelt.
Ich verwandele mich. Meine analoge Körperlichkeit entwickelt sich zu einem 90 Kilo schweren Anhang eines Geistes, der zu lernen beginnt, dass er alles digital erledigen kann. Noch sind diese Mutationsschübe überschaubar, monatelang bleibt mein Zustand stabil. Dann erscheint ein neues Tool, das die Kommunikation beeinflusst. Es ist absehbar, dass mein Körper nur noch benötigt wird, um zur Haustüre zu gehen, die Kurierdienste für die Lebensmittel abzuzeichnen und Essen zuzubereiten, um sich Brennstoff zuzufügen.
Jetzt also Snapchat. Ich gehe ins Kino, schaue einen Film und sage der Gemeinde da draußen in 10-Sekunden-Snippets, wie‘s war.
Muss ich bald auch nicht mehr – ins Kino gehen, meine ich. Napster-Erfinder Sean Parker arbeitet gerade an einem Dienst namens „The Screening Room“. Da kann ich dann die aktuellen Kinostarts auf meinem 65-Zoll-Plasma gucken. Und dann der Welt da draußen sagen, wie‘s war.
Warum will ich das meinem Smartphone – also der Welt – sagen?
Weil ich gerne über Filme rede!
Warum gehe ich nicht mit analogen Menschen ins analoge Kino und rede mit denen?
Die analoge Welt mit ihren inkompatiblen Arbeits- und Lebenszeiten lässt das kaum zu – und ich gucke wirklich viele Filme (in diesem Jahr schon 35 – wir haben erst Mitte März).
Mitte Mai verlasse ich meinen Arbeitsplatz. Das reduziert meine analogen Kontakte – das „soziale Miteinander“ – erheblich. Ich werde im Ruderboot mit Menschen sitzen, deren Rücken ich sehe, wenn ich nicht selbst den Schlag vorgebe und also Flusslandschaft vor mir und Menschen in meinem Rücken habe. Ich habe nicht das Bedürfnis, neue Kontakte, neue Peer-Groups zu generieren.
Aber ich kommuniziere gerne. Ich werde mich verwandeln …
Ein Kommentar
Kai Budde
… geradezu kafkaesk. Eine Verwandlung in ein digitales, virtuelles Wesen, aus Fleisch & Blut, noch:) wer weiß, wohin es führt …