Design H. R. Giger
Allgemein

Der Designer des Alien ist tot

Seine Schöpfung trieb die Menschen kreidebleich aus dem Kino. 1979 war das, seine Schöpfung blieb ohne Namen und nur ein „Alien“ („Fremder“). Sein Name ging damals um die Welt: H.R. Giger. Am Montagnachmittag ist Giger gestorben – an den Folgen eines schweren Sturzes.

„Biomechanoiden“ wurden Zentrum seiner Arbeit, Wesen – halb Organ, halb Maschine – in beklemmendem Halbdunkel, häufig in obszöner Darstellung. Nicht zuletzt diese düstere Erotik hat dem Mann aus dem schweizerischen Graubünden die weltweite Anerkennung versagt. Mit seinen Bildern und Skulpturen verstörte H.R. Giger die Kunstwelt – jedenfalls damals, Ende der 1970er Jahre, als die Kultur noch in den Nachwehen selig-bunter Flower-Power-Pop-Art schwelgte. Einige Kritiker verunglimpften Giger als „Pornograf“.

„Ich stehe nicht gerne im Mittelpunkt“
Längst haben seine monströsen Darstellungen Nachahmer gefunden, sind in den Kanon zeitgnössischer Kunst übergegangen. Der Künstler selbst geriet ein wenig in Vergessenheit – was ihm offenbar ganz Recht war: Als vor zwei Jahren der Film Prometheus in die Kinos kam, in dem Ridley Scott die Vorgeschichte seines Alien-Klassikers erzählt und für den Giger sein altes Aliendesign aktualisierte, diktierte er den Reportern in den Block: „Ich stehe nicht gern im Mittelpunkt.“ Am Montagnachmittag ist Hansruedi Giger im Alter von 74 Jahren gestorben; er erlag im Krankenhaus Verletzungen, die er sich bei einem Sturz zugezogen hatte.

Giger kam 1940 in Chur zur Welt, wuchs auf in einer streng katholischen Erziehung – was später seine düsteren Werke beeinflusste. Ab 1962 studierte er an der Hochschule für Angewandte Kunst in Zürich Architektur und Industriedesign. Erste Fans wurden über Schallplatten-Cover auf ihn aufmerksam. 1973 gestaltete er das Cover der Rock-LP „Brain Salad Surgery“ von Emerson, Lake and Palmer.

Zu sehen ist ein menschlicher Schädelknochen mit vollen weiblichen Lippen; das Cover kann man aufklappen, dann sieht man das ganze Gesicht: ein weibliches Wesen mit geschlossenen Augen, dessen Haare in eine Maschinenkonstruktion übergehen. Für ihre LP KooKoo durchstach Giger die Sängerin Debbie Harry (später: „Blondie“) mit vier langen Nägeln.

Schallplattencover: KooKoo von Debbie Harry

Ein triefender Schatten
Weltberühmt machte ihn das Wesen, das man kaum sah – weil man es kaum sah. 1979 drehte der britische Werbeclip-Regisseur Ridley Scott den Science-Fiction-Film Alien (hier gibt’s meine Besprechung zum Film). Die Arbeiten daran hatten lange still gestanden, weil Scott kein Design für seinen Titelhelden fand; bis er auf die Grafiken des Schweizers H.R. Giger stieß, der sich mit David Lynchs Der Wüstenplanet erste Filmdesign-Meriten erworben hatte. Giger wurde engagiert, die Kostüm- und Maskenbildner setzen sich an die Umsetzung seiner Entwürfe, aber am Ende sah das Monster immer noch aus wie ein Mann in einem Monsterkostüm. Unbefriedigend.

Der versierte Bilderkünstler Scott besann sich auf die Theorie, dass am meisten Schrecken verbreitet, was man nicht sieht – nach diesem für das Bildmedium „Kino“ doch ungewöhnlichen Muster hatte vier Jahre vorher schon Steven Spielberg seinen Weißen Hai inszeniert. Von Gigers Monstrum sah man den schattigen Umriss eines insektenartigen Chitin-Panzers und ein schleimtriefendes, stählernes Gebiss, welches das Wesen ein- und ausfahren konnte. Der Rest waren Schreie, kratzende Geräusche und bedrohliche Musik. Bei den ersten Kinovorstellungen liefen Menschen in Panik aus dem Saal, Zeitungen befragten Psychologen über das Phänomen „Alien“.

Wahnsinn in Schwyzerdütsch
Giger mutierte in der Öffentlichkeit eine Zeitlang zum Meister des Wahnsinns – aber wenn er mal in der Öffentlichkeit auftrat, stand da statt eines wirren Wahnsinnigen ein scheuer kleiner Mann, der langsam, leise und in Schwyzerdütsch sprach und in seinen Bildern nichts anderes sehen wollte als … Bilder: „Das Wichtigste war mir immer, dass meine Bilder mir einfach gefallen.“ 1980 erhielt er für das „Alien“ den Oscar für Visuelle Effekte.

Glücklich machte es ihn nicht: Entnervt zog er sich aus dem Kinogeschäft zurück: „Mein Design wurde übernommen und verändert. Das Filmbusiness ist ein Gangstergeschäft“, schrieb er in seinen Aufzeichungen, die letztes Jahr veröffentlicht wurden. „Ich war zwar plötzlich sehr populär“, sagte er in einem Interview mit dem Schweizer „Blick“, „aber die Museen wollten meine Arbeit nicht mehr zeigen.“ Erst viel später erinnerten zahlreiche Retrospektiven an Gigers Verschmelzung von Technik und Mechanik, im morbiden Zusammenspiel mit sexuellen Andeutungen.

Das Monster wurde Alltag
Viele Jahre später, 1995, versuchte sich Giger noch einmal im Medium Film. Für Roger Donaldsons Species erschuf er die Außerirdische SIL, die in Menschgestalt aussah wie die blonde Schauspielerin Natasha Henstridge; in ihrer Alienform aber wie eine Cousine des alten Alien. Die nackte Natasha Henstridge, die ihre Opfer beim Sex erlegt, sorgte noch für ein bisschen Aufregung in der juvenilen Zielgruppe, das Aliendesign nicht mehr – das Kino und seine Besucher hatten sich weitergedreht, solche Monster verbreiteten keine schlagzeilenträchtigen Schrecken mehr.

H.R. Giger hinterlässt Ehefrau Carmen, die er als „in den letzten Jahren größte künstlerische Inspiration für mich“ bezeichnete. Und er hinterlässt Filmfiguren und Erinnerungen an Schreie und Gänsehaut im dunklen Kinosaal.

Auf facebook postete ein Fan mit Bezug auf die Heldin aus den Alien-Filmen: R.I.P-ley …

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