Die Mannschaft des „Rummtreiber“ jagt ins Ziel
Christoph,  Fitness,  Gesundheit,  Mainz

Tanker jagen beim Rhein-Marathon

Nach elf Kilometern zwingt der Frachter „Freienstein“ uns in ein Rennen – ausgerechnet ein Frachter unter Mainzer Flagge.

Wir rudern den Rhein-Marathon, Leverkusen Düsseldorf, 42,8 Kilometer und in diesem Jahr, für drei von uns ist es der dritte Anlauf, haben wir Ambitionen: Wir wollen aufs Treppchen. Wir haben einen schlechten Slot erwischt. Vom Startschuss weg hängt dieser „Freienstein“ neben uns, fährt 15, 16 Km/h, wir schaffen laut Ingos Ruder-App 16, 17 Km/h. Wenn wir also kreuzen wollen – und auf der Serpentinenartigen Strecke zwischen Leverkusen und Düsseldorf müssen wir das mehrfach – verlieren wir entweder viel Zeit damit, jedes Mal „Freienstein“ vorfahren zu lassen und hinter ihm zu kreuzen.

Oder wir geben Gas.

Nach elf Kilometern entscheiden wir uns für Gas geben, ziehen unser Boot „Rumtreiber“ auf 20 Km/h hoch. Zentimeter um Zentimeter schieben wir uns an dem Schiff vorbei. „WIR HABEN ZWEIEINHALB KILOMETER, UM RÜBERZUKOMMEN!“ hallt uns unsere Steuerfrau Julia in den Ohren, „AUS DEN BEINEN, SCHIIIEEBT DAS BOOT!“, dann haben wir einige Meter zwischen uns und „Freienstein“ gelegt, „ NICHT!! NACHLASSEN!!!“, aus Metern werden Bootslängen, „ENTWEDER JETZT ODER NIE!“ ruft Julia und zieht leicht das Steuerblatt nach steuerbord. Kein zurück, wir setzen uns vor den Frachter, wechseln die Rheinseite. Es ist ein mulmiges Gefühl, als der Frankenbach-Frachter in der Flussmitte ungerührt geradewegs auf uns zu steuert, aber gleichzeitig treibt uns das Adrenalin: Von diesem Frachter lassen wir uns unsere Ambitionen nicht kaputt machen!
Unsere Mannschaft hatte wenig Gelegenheit, sich aufeinander einzustellen. Vier Wochen vor dem Marathon musste Christoph seine Teilnahme aus beruflichen Gründen absagen, so kam Hans zurück in unser Boot – mit freundlicher Unterstützung der „Loreley“-Besatzung, zu der Hans bis dahin gehört hatte. Er, Dave, Kevin und Sabine hatten sich seit Wochen regelmäßig zum gemeinsamen Marathon-Training getroffen. Susanne übernahm nun kurzfristig seinen Platz in der von Frieder gesteuerten „Loreley“.

Jürgen, Ingo und ich begrüßten Hans in unserer Mitte; er integrierte sich geräuschlos, es ist auch für ihn der dritte Marathon. Aber für uns alle ist es der erste, der mit einem Rennen gegen einen Frachter Fahrt aufnimmt.
Kaum haben wir auf die andere Rheinseite gekreuzt, rauschen zwei bergauf fahrende Frachter vorbei. Julia hat uns zwischen drei Frachtern durchgepeitscht, ein Manöver, das von gewisser Erfahrung zeugt. „Eine Mischung aus verantwortungsbewusst und Wahnsinn … mit einem leichten Übergewicht an Wahnsinn“, geht ein On-Dit in unserer Mainzer Ruder-Gesellschaft über Julia. Fehlte ihr dieser Hang, wir wären bis ins Ziel nicht mehr an „Freienstein“ vorbei gekommen.

Das beflügelt uns. Unsere Statistik zählt im Schnitt einen 24er Schlag bei einer Schlagdistanz von 11,38 Meter. Das ist nichts für Deutsche Meisterschaften, aber für eine Gruppe weißhaariger Freizeitruderer, der Ingo, unser Mittvierziger, einen Schuss jugendlichen Esprit verleiht, ist das ordentlich, Zeugnis konsequenten Trainings mit Fabian, der uns seit drei Jahren die höhere Schule des technisch sauberen Rudersports beibringt. Auch, dass wir kurzfristig so relativ problemlos die Mannschaften tauschen konnten, unterstreicht das Niveau des Trainings.

In Anlehnung an die Danksagungen, mit denen Autoren gerne ihre Romane schließen, könnte man sagen: Dass wir erfolgreich gerudert sind, uns gegen einen Frachter durchgesetzt haben und auch bei hohem Wellengang nicht an Tempo verloren haben, ist auf Fabians technisches Training zurückzuführen. Dass uns gegen Ende die Lunge aus dem Hals quillt, wir nicht immer sauber setzen und häufiger mal nicht die ganze Schlaglänge ausreizen, liegt ausschließlich daran, dass wir nicht umsetzen, was Fabian uns beibringt.

Aber erfolgreich sind wir. Unser Boot überquert nach 2:30:48 hrs. die Ziellinie, das ist in unserer Bootsklasse mit acht Teilnehmern Platz drei – Treppchen, Bronze. Die Marathon-Ersttäter der MRG schaffen in der „Loreley“ sogar 2:29:57 hrs. Die Strecke über war es erfrischend bewölkt. Als wir im Ziel feiern, kommt die Sonne durch.
Irgendwann fährt „Freienstein“ am Düsseldorfer Steg vorbei.

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