Der letzte Check In
Ich habe die Westküste erreicht. Mein Roadmovie From Coast to Coast ist so gut wie abgeschlossen – der Trip als solcher dauert noch zwei Tage, aber fahren werde ich nicht mehr viel, halt das, was man in Los Angeles so mit dem Auto fährt.
Ich bin in Glendale abgestiegen, im Norden der Stadt. Von meinem Hotel sind’s nur elf Kilometer in die Universal Studios. Nachdem ich jetzt knapp neun Wochen von Ost nach West an verschiedenen Drehorten vorbeigekommen bin, gebe ich mir morgen die volle Packung.
Ich habe mit Widerwillen eingecheckt, was nicht am Hotel liegt. Es war nur mein ultimativ letzter Check In auf dieser Reise. Ich habe das Auto aufgeräumt, das in den vergangenen Monaten mein Wohnzimmer war, wo alles seinen Platz hatte, ApplePlay meine Musik fand und spielte, Kabel für verschiedene Geräte angeschlossen waren, mich Diskussionen rund um die Präsidentschaftswahlen im NPR Radio begleiteten und im Handschuhfach immer Servietten und ein paar Plastikgabeln lagen, für den Fall, dass ich unterwegs einen dieser in Plastik eingeschweißten Obstteller bekomme.
Es ist nicht so, dass ich mich nicht auch freue, wieder nach Hause zu kommen. Das andauernde Check In, Check Out, Koffer rein, Koffer raus, ausräumen, einräumen, immer wieder die Ermahnungen, dass ich nicht rauchen, keine Haustiere einschmuggeln darf, dass meine Kreditkarte mit 50/150 Dollar belastet wird als eine Art Pfand, der später zurück überwiesen wird, wenn ich das Zimmer ordnungsgemäß verlassen habe; die wabbeligen Hotelmatratzen, die undichten Plastik-Badezimmer – auch in den gehobenen Häusern. Da gibt es schon Gründe, mich wieder auf ein Leben in meiner kleinen Hauptstadt ohne Koffer zu freuen. Aber meine Reise ist dann vorbei. Die ich so viele Jahre mit mir herumgetragen habe, auf die ich mich so gefreut habe, in die ich mich mit Leidenschaft, Naivität, manchmal zusammengebissenen Zähnen und viel Energie gestürzt habe. Die so ein bisschen Unordnung in mein geordnetes Leben gebracht hat. Ich brauche nur auf die Karte da oben zu gucken, dann fallen mir zu jedem Zentimeter blaue Linie zehn Geschichten ein.
Also: Deswegen habe ich widerwillig eingecheckt und bin nun heute Abend ein bisschen wehmütig. Auch müde, ich habe eine anstrengende Fahrt mit langen Staus hinter mir, was ich gar nicht mehr gewöhnt bin – Staus. In Las Vegas habe ich noch das berühmte Welcome to Las Vegas-Schild besucht, quasi als Nachklapp zum gestrigen Besuch im Neon-Museum. Ich wollte nur schnell ein Foto machen und stand dann vor einer langen Schlange von Menschen, die dieselbe Idee hatten. Das Zeichen steht an einer Ausfallstraße, der Verlängerung des Strips. Da ist schlecht mit Anhalten, Aussteigen, Gucken. Deshalb hat die Verkehrsbehörde der Stadt den Mittelstreifen verbreitert und einen Parklatz dort eingerichtet, für dessen Nutzung – erstaunlich – man nicht zahlen muss. Vor dem Schild knubbelten sich Paare und Familien und warteten geduldig, bis sie sich vor dem Schild in Pose werfen und fotografieren lassen konnten.
Ich stieg wieder ins Auto und richtete mich auf Wüste ein. Aber nicht nur regnete es ein bisschen, von der gefährlichen Mojave Wüste – Tal des Todes – sind auf der südlicher gelegenen Interstate 15 hinter Outlets, Diner-Burgen und Casino-Außenposten nur die Ausläufer zu vermuten. Und nach Barstow und Victorville geht es dann auch schon los: San Bernardino, Riverside … Greater Los Angeles. Man merkt lange vor der Stadt der Engel, dass man in eine riesige Metropolregion kommt. Die Highways werden achtspurig, voller, die Autofahrer drängelnder und der Benzinpreis steigt. Ich habe jetzt meistens für die Gallone Benzin – 3,78 Liter – zwischen 2,99 und 3,49 Dollar bezahlt. In Neuengland und rum um Chicago ging es bis 3,89 hoch. In Los Angeles kostet die Gallone 4,39 Dollar.
Vielleicht ganz gut, dass ich nun nicht mehr so viel fahre. Die Universal Studios sind eh ein zu-Fuß-Erlebnis und am Mittwoch muss ich erstmal meine Sachen wieder Flugzeugtauglich zusammenpacken, also richtig packen, Handgepäck und Koffer aufteilen, dann online einchecken und dann habe ich nur noch einen Programmpunkt: der Nakatomi-Tower, in dem Bruce Willis an Weihnachten 1988 ein paar distinguierte Schwerverbrecher ausschaltet. Offiziell heißt das Gebäude wie die Adresse, „Fox Plaza“, und ist ein ordinäres Bürogebäude, in dem Anwaltskanzleien residieren und als Hauptmieter die 20th Century Fox, damals Produzentin von Stirb Langsam. Ich liebe diesen Film und wenn ich schon mal in LA bin, besuche ich auch den Turm. Vielleicht fahre ich auch noch durch die Originalschauplätze von Zurück in die Zukunft.
Oder Dodge und ich cruisen einfach nur durch Hollywood.