Geliehene Sprache
Über die Feiertage habe ich mir ein Auto ausgeliehen. Im Sommer 2024 habe ich mein 5er-Cabrio abgegeben und bin auf Bedarf umgestiegen. Und jetzt wollte ich ins Westfälische fahren – das bedeutet bei der Bahn zweimal Umsteigen, also „Lost in Nevermore“ –, und also erlaube ich mir die Leihe eines BMW M235 Gran Coupé „oder ähnlich“.
Eine Stunde, bevor der Vertrag wirksam wird, teilt mir ein gesichtsloser Mitarbeiter der Verleihfirma mit, dass es mit dem BMW („oder ähnlich“) leider nichts werde; der entsprechende Wagen sei in Frankfurt abgegeben worden und nun „bedauerlicherweise nicht mehr verfügbar“. Ich weiß nicht genau, wieviele Bestätigungen, Versicherungen, dass ich Ich bin, und Kontobestätigungen ich ab- und anklicken musste, um von meinem Vertragspartner überhaupt ernst genommen zu werden. Aber am Ende lande ich in einem Peugeot 3008. Das ist nicht einmal nahe am BMW M235 Gran Coupé.
Vier Stunden, nachdem ich den – was soll ich machen? – Peugeot übernommen habe, erreicht mich eine E-Mail, in der der Autoverleiher mir sein Interesse bekundet zu erfahren, wie es denn gelaufen sei mit dem Autoverleihvorgang. Man versichert mir, dass es dem Unternehmen ganz wichtig sei, zu erfahren, wie das Abholerlebnis denn gewesen sei. Und also schildere ich ihm, dass ich ein wenig enttäuscht sei, weil ich ja eigentlich ein Spaßauto gebucht hätte und nun einen, nun ja, Peugeot bekommen hätte.
Damit war das weihnachtliche Thema für mich erledigt. Letztich war ich ja auch mit dem Peugeot da hingekommen, wo ich hin wollte.
Nicht aber für die Autovermietung: ”Wir schätzen es sehr, dass Sie uns kürzlich Ihr Feedback bezüglich Ihrer Erfahrung geteilt haben. Hierfür möchten wir uns herzlich bedanken.
Wir haben Ihre Rückmeldung sorgfältig geprüft und möchten Ihnen versichern, dass wir Maßnahmen ergriffen haben, um Ihre Bedenken zu adressieren. Unser Management hat bereits Kontakt mit Ihnen aufgenommen.
Wir würden uns sehr freuen, wenn Sie uns kurz mitteilen, ob das Problem zu Ihrer Zufriedenheit gelöst wurde.“
Öhm.
Es wurde kein Problem gelöst, weil kein Problem zur Lösung an stand. Auch hatte kein Management „bereits Kontakt“ mit mir aufgenommen.
Ich glaube, ab dem Zeitpunkt, zu dem mir der Autoverleiher-Mensch in Mainz den Autoschlüssel in die Hand gedrückt hat, hat eine KI übernommen, kommuniziere ich nicht mehr mit Menschen aus Fleisch und Blut, sondern mit Algorithmen, die englische Mustertexte aus einem Seminar für Kundenservice ins Deutsche übersetzen.
Diese Vermutung unterstreicht die folgende E-Mail: Sehr geehrte(r) Herr/Frau Christoph Hartung,
Sie haben sich kürzlich an den Kundenservice gewandt. Da wir Ihr Serviceerlebnis stets verbessern möchten, teilen Sie uns bitte Ihre Erfahrung mit. Und dann folgt eine weitere Fünf-Sterne-Auswahl-Abfrage.
Ich finde das ganz furchtbar: Ich werde von Computern gefragt, wie ich mich fühle, und die Algorithmen verstehen dann nicht, wenn ich mich nicht Raster-gemäß verhalte. Aber Menschen dahinter, die mir auf einfache Fragen einfache Antworten geben könnten, gibt es nicht mehr.
ICH WOLLTE EINFACH EIN SPASS-AUTO! UND SIE HABEN MIR EINEN PEUGEOT GELIEFERT!
Klar, mit so einer menschlichen Reaktion kann ein Algorithmus nichts anfangen. Weil er nicht um den Unterschied zwischen BMW und Peugeot weiß, und also nicht, an wen er so einen Sachverhalt adressieren soll.
Ein Kommentar
Markus
Boah, ich verstehe auch nicht, warum Unternehmen in ihrem CRM so deplorabel sind – irgendwer muss sich das ja ausgedacht, programmiert, getestet, getextet und freigegeben haben… nein? Ich glaube, man muss die Autoverleiher öffentlich machen und auf einen kleinen Shit Storm hoffen, denn durch bloße Korrespondenz wirst Du vermutlich nichts erreichen.