ZDF-Programm: Dunja Halali befragt einen Korrespondenten vor Ort
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Genaues weiß man noch nicht …

Ich bin seit drei Wochen und ein paar Stunden wieder in Deutschland. Mein Roadtrip ist geographisch beendet, emotional noch nicht. Immer noch rechne ich jeden Tag, wo ich vor vier Wochen war, was vor sechs Wochen war, unvermittelt schießen mir Bilder meiner Reise durch den Kopf, während ich an der Supermarktkasse meine Einkäufe aufs Band lege.

„Wie war’s denn?“, fragen mich Freunde, oder „Und … schon wieder angekommen?“ Ich habe keine Ahnung, was ich darauf sagen soll. Eher: Nein! Bin ich nicht!

Eine Hoffnung dieser Reise war, dass sich in den neun Wochen meine Routinen pulverisieren, die mein Leben in Bequemlichkeit eingeengt haben. Und siehe: Sie wurden pulverisiert. Ich habe allerdings unterschätzt, was es heißt, mein Leben ohne diese Routinen zu führen. Seit ich zum Beispiel nicht mehr jeden Tag um 16 Uhr die „Rosenheim Cops“ gucke, ist ein Stützpfeiler weggebrochen, der meinen Tag strukturiert hat.

Und das ist ja richtig.

Nur habe ich noch keinen Ersatz für diesen Stützpfeiler gefunden. Ich bin jetzt nicht etwa super aktiv unterwegs. Das ist wie das, was die Silicon Valley-Lords machen – disruptiv. Ich habe mit meiner Reise mein bisheriges Leben wie angedacht aus der Bahn geworfen, habe allerdings noch keine Idee, was an dessen Stelle treten soll. Und so liege ich länger auf dem Sofa und lese meine Zeitungen, bearbeite und montiere die Filmaufnahmen meiner Reise, bin im Ruderverein oder lasse mich von vorweihnachtlichen Zwängen treiben.

In dieser orientierungslosen Situation triggert mich ein, nun ja, traditioneller Abend auf meinem Sofa: Immer am Freitag vor Weihnachten sendet die ARD „Der kleine Lord“. Und ich bleibe jedes Jahr davor hängen und heule Sturzbäche.

Heute wurde der Film für eine Eilmeldung unterbrochen.

Irgendwer ist in Magdeburg mit einem Auto in den Weihnachtsmarkt gerauscht, es gibt Tote und Verletzte. Na klar, auch mein Nachrichtenredakteurs-Herz geht da sofort live und will alles vermelden, was bekannt ist.

Nur: Es ist zur Stunde nichts bekannt. Der Moderator der Sondersendung, der Reporter vor Ort, alle leiten jeden Satz mit „Wir wissen noch nicht“, „Es ist ist noch nicht klar, ob“, „Wir können nicht klar sagen“ ein, alle verweisen auf eine ”Pressekonferenz in zwei Stunden“. Und selbst der Fahrer des Unfallfahrzeugs wird als „mutmaßlicher“ Fahrer bezeichnet, was die Vermutung zulässt, dass es sich auch um ein Robotaxi gehandelt haben könnte, in dem gar kein Fahrer saß.

Das erinnert mich an die TV-Nachrichten, die ich gerade neun Wochen lang in den USA verfolgt habe. Man will um alles in der Welt schneller sein, als die TikTok-Youtube-Instagram-X-Schreihälse, und geht also mal auf Sendung, ohne schon irgendwas zu wissen – Hauptsache, wir waren dabei und hatten auch was zu melden.

Dabei hätten die Bauchbinden, die ARD und ZDF ins laufende Freitagabend-Wohlfühlprogramm sendeten, als Rundum-Information mit Hinweis auf die nächste, reguläre Nachrichtensendung völlig gereicht. Die Panik der Abgabenfinanzierten ÖR-Sender vor einem Shitstorm führt dazu, dass Ahnungslosigkeit verkündet wird: Aber den befürchteten Shitstorm gibt es doch so oder so – irgendwer ist ja immer sauer.

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen darf gerne so souverän sein, seine Informationen erst zu sichten und zu sortieren, bevor es mit irgendeiner hektischen Paniknummer an die Öffentlichkeit tritt – ein bisschen mehr so wie ich: Keine Ahnung, wo ich hin soll? Dann bleibe ich erstmal zuhause.

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