Highway 212 in Montana
Christoph,  Tourismus,  Urlaub

Platz

Ich bin in Billings, Montana. Billings hat 110.000 Einwohner, halb so viele wie Mainz, und ist damit die größte Stadt dieses Bundesstaates. Wyoming mag der bevölkerungsärmste Staat sein, aber so viel unbemenschte Fläche wie Montana gibt es kein zweites Mal. Unwesentlich größer als Deutschland verlieren sich hier pro Quadratkilometer 2,84 Menschen. In Deutschland teilen sich 237 Einwohner einen Quadratkilometer.

Wir sind 1998 hier mal durchgefahren auf dem Weg vom Yellowstone Nationalpark nach Seattle. Damals war Montana noch ein Staat ohne Speed Limit. Mir hat es da gleich gefallen. Weil es so leer war. Jetzt bin ich zurückgekommen, um im weitesten Sinne auf den Spuren Robert Redfords zu wandeln.

Wahltag am Little Bighorn

Allerdings erst ab Donnerstag. Morgen ist hier Präsidentschaftswahl. Sie oder Er? Viele haben ihre Stimme schon abgegeben. Es gibt schon wieder Huzzle um Wahlmaschinen. Und mit einem Ergebnis sei so schnell nicht zu rechnen, sagen die TV-Auguren – was der Republikaner seinen Fans gleich als die Fortsetzung der großen Verschwörung verkauft: „Zwölf Tage, sagen sie, brauchen sie zum korrekten Auszählen der Stimmen. Zwölf Tage? Was glaubt Ihr wohl, machen sie in diesen zwölf Tagen?“

Den Wahltag verbringe ich am Little Bighorn, da, wo George A. Custer im Sommer 1876 eine vernichtende Niederlage gegen Krieger der Lakota- und Dakota-Sioux, Arapaho und Cheyenne erlitten hat. Diese Niederlage war im Kampf der weißen Siedler gegen die Ureinwohner Amerikas nicht entscheidend, wurde aber in den Jahrzehnten seither zur Schicksalsschlacht verklärt. Ich finde, das ist ein guter Ort, um der US-Nation beim Wählen zuzusehen.

Abends will ich dann zwischen den Kanälen switchen: CNN, CBS, FOX, MSNBC, ABC und schauen, wie man Wahlabende im Fernsehen auch gestalten kann.

Ein desolates Motel

Sofern der Fernseher funktioniert. Als ich heute Abend vom Essen kam – es gab Mexikanisch auf dem Teller mit Monday-Night-Football im Fernsehen: Tampa Bay Buccaneers (die mit dem Taylor Swift-Freund Travis Kelce) gegen die Kansas City Chiefs (die mit dem Starquaterback Patrick Mahomes), sehr unterhaltsam – funktionierte meine Schlüsselkarte nicht. Die hatte schon am Nachmittag beim Einchecken nicht funktioniert, aber da sagte die Lady am Empfang noch, ich solle mir keine Sorgen machen, da müsse nur eine Batterie ausgewechselt werden. Dann saß ich heute Abend zwei Stunden in einem Kunstledersessel im Foyer, weil die Tür immer noch nicht auf ging und der Nachtmensch nicht Bescheid wusste und einen anrief, der kam, guckte, auch nicht Bescheid wusste und einen anrief, der kam, das Kartengerät neu einstellte und dann ins Fenster meines Zimmers einbrach, die Tür von innen öffnete und die Batterien wechselte. Jetzt soll die Tür angeblich funktionieren. Ob es der Fernseher dann auch wird, sehe ich später, wenn ich mich auf die Suche nach den richtigen Sendern mache.

In jedem Motel oder Inn sind die Sender auf einem anderen Programmplatz, wild verstreut auf zig Plätzen. Da bedarf es eine halbe, dreiviertel Stunden Zappen, bis ich meine Sender gefunden habe, was insofern zeitraubend ist, als ja dauernd Werbeunterbrechungen sind, bei denen man die Senderkennung nicht sieht und also warten muss, bis die Werbespots für den ultraschnellen Pizzaliefer-Service, die richtige Versicherung, das mächtigste SUV, das smarteste Smartphone, die schnellste Abnehmspritze und die für Demokraten und Republikaner vorbei sind.

Es stehen ein paar Entscheidungen an

Es beginnt der letzte große Abschnitt meiner Reise, bei dem ich tatsächlich nicht so genau weiß, wo’s lang geht. Montana weiß ich noch, da bin ich bis wahrscheinlich kommende Woche Dienstag. Robert Redford hat hier im Süden Montanas zwei seiner schönsten Filme gedreht – Aus der Mitte entspringt ein Fluss (1992) und Der Pferdeflüsterer (1998). Da interessieren mich weniger die exakten Drehorte, aber die schöne Landschaft, in der die Filme entstanden sind. Dann starten am 10. November die neuen – und letzten – Folgen der Neo-Westernserie „Yellowstone“, in der Kevin Costner den Patriarchen einer mächtigen Rancherfamilie in Montana spielt. Auch diese Serie hat beeindruckende Landschaften im Bild; gedreht wurde weiter westlich in der Gegend um Darby – also will ich da hin.

Aber danach? Fahre ich über Denver nach Süden und dann nach Westen? Ein paar schöne Scenic Byways plus Monument Valley, Grand Canyon und Co.? Oder bleibe ich erstmal in Utah, westlich von Salt Lake City, wo Szenen aus dem 90er-Jahre Actionkracher Con Air (1997) entstanden sind und wo Will Smith in der Salzwüste am Independence Day (1996) sehr handfest ein Alien begrüßt? In Payson in Utahs Süden wurde an der Payson High School der Film Footloose (1980) mit Kevin Bacon gedreht. Und im Südwesten sind Szenen aus Butch Cassidy und Sundance Kid (1969) – Paul Newman und Robert Redford – entstanden. Oder fahre ich von Montana als erstes mal zurück in den Yellowstone Nationalpark, von dem ich aus 1998 ein paar schöne Erinnerungen habe?

Ich schätze, ich darf bald ein paar Entscheidungen treffen.

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