Regen in den White Mountains
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April im Oktober

Meine warmen Handschuhe hatte ich mir eigentlich für Montana eingepackt. Da kann es Anfang November, wenn ich mich da erwarte, schon sehr kalt sein. Nun war ich heute schon froh, dass ich sie eingepackt habe.

Fünf Grad war’s, als ich mich auf den Weg machte heute Morgen, und das Wetter eher was zum im Hotelzimmer bleiben oder die Ruheräume der Fitnessanlage ausprobieren. Ich bin hier in einer Art Resort, Waterville Valley. Da gibt es verschiedene Hotelversionen und Freizeitbeschäftigungen auf einem Gelände, dazu eben Gyms, Restaurants, Trekkingbike-Verleih und so weiter. In ein paar Wochen satteln sie hier um auf Wintersport. Dann verwandelt sich die ganze Gegend in eines der größten Skigebiete der USA – behaupten sie hier auf großen Billboards.

Um die Ecke ist Bretton Woods, ein kleiner Ort, allerdings mit einem Hotelkomplex, in dem Weltgeschichte geschrieben worden ist. Nach dem Krieg haben sich dort Vertreter aus 44 Nationen getroffen und eine neue internationale Währungsordnung auf die Schiene gesetzt mit heute noch geltenden Wechselkurs-Regelen. Seitdem gilt der Dollar als „Leitwährung“. Die Weltbank und der Internationale Währungsfonds (IWF) sind aus dieser Konferenz hervorgegangen.

Ich hatte in dieser noch herbstlichen Gegend heute ganz Verrücktes vor: Ich wollte wandern. Das heißt, ich musste wandern. Sehr zum Leidwesen meiner inneren Schweinehunde Klein-Christoph und Eremiten-Christoph, die lieber Auto fahren und Bildschirme beackern und die Reise als solche ohnehin misstrauisch begleiten.

Die White Mountains muss man sich aus Sicht des Touristen zunächst so vorstellen, dass man stundenlang mit dem Auto auf Freeways durch sie hindurch fahren kann. Und das ist imposant: Links und rechts, vorne und im Rückspiegel, überall diese knallbunten Bäume. Das wird trotzdem irgendwann fad. Zumal, wenn das Wetter so ist, wie heute. Eben schüttet es aus Eimern, bricht im nächsten Moment die Wolkendecke auf. Und dann regnet es wieder.

Ich hatte mir ein paar Punkte herausgesucht, an denen ich mein Auto verlassen und in die Wälder hinein wandern wollte. Die Punkte auf der Karte waren in der realen Welt leicht zu erkennen: Überall, wo sich Autos stapelten, war die jeweilige Attraktion nicht weit, aber, wichtig, „nur zu Fuß zu erreichen“. Anfangs hatte ich Glück. So, wie wir im Ruderverein sagen „Das Wetter wird am Bootshaus gemacht“ galt hier: „Das Wetter wird auf dem Wanderweg gemacht.“ Und da war’s trocken, geschüttet hat es nur auf den Fahrten dazwischen. Aprilwetter im Oktober.

Eine herrliche Gegend. Ein kleiner Wasserfall hier, eine grandiose Aussicht in die Berge dort, und da mal ein kleiner See. Die längste Wanderung hatte ich mir für den Nachmittag aufgehoben. Der Plan war, etwa eine Stunde hoch auf einen Felsen – wandern, nicht klettern – dort das grandiose Panorama mit strahlend bunten Bäumen, einem großen See und dramatischen Wolkenformationen feiern. Und danach heim ins Hotel, ermattet und mit ordentlich Appetit in einen Abend an der Bar gleiten.

In den White MountainsIn den White MountainsNext to Sabbaday Falls in den White MountainsSabbaday Falls in den White MountainsIn den White MountainsIn den White MountainsMcDonald's in Lincoln, NH., in den White Mountains
In den White Mountains
In den White Mountains
Next to Sabbaday Falls in den White Mountains
Sabbaday Falls in den White Mountains
In den White Mountains
In den White Mountains
McDonald’s in Lincoln, NH., in den White Mountains

Ich fuhr tapfer gegen den stärker werdenden Regen an, auch den kalten Wind ignorierte ich, weil das Wetter ja am Wanderweg entscheidend ist, nicht hier im Auto. Es nutzte nichts. Es wurde richtig usselig. Nasskalt, matschig. Meine inneren Schweinehunde rebellierten: Da eine Stunde rauf? Bei dem Wetter! Bist du irre?!

Ich änderte meinen Plan. Der fulminante Feierabend an der Bar war hinfällig, die Stimmung gedrückt. Klein-Christoph konnte ich mit einem Besuch bei McDonald’s beruhigen, auf den er seit zwei Wochen hingequengelt hatte, in denen er stattdessen sogar schon Salat hatte essen müssen. Eremiten-Christoph, dessen unentwegte Gewitterwolke in den letzten Stunden immer dunkler geworden war, durfte sich mit einem Six-Pack und einer Tüte Chips auf sein Zimmer verziehen.

Und ich. Machte es mir in einem der Leder-Fauteuils in der heimelig warmen Lobby bequem, las die USA Today und zappte mich anschließend durch die Abendnachrichten der großen TV-Networks.

Meine Hände haben den Tag genossen. Sie blieben nicht lange kalt. Zufällig haben wir herausgefunden, dass unser Dodge neben einer dreistufigen Sitzheizung auch ein beheizbares Lenkrad hat. Montana kann kommen.

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