Peters Prinzip
John Gholson schrieb in seinem Comic-Blog Gutters & Panels neulich über die Personalführungs-Gepflogenheiten im DC-Verlag – das ist der Verlag, der seit bald 70 Jahren die Abenteuer von SUPERMAN, BATMAN, Green Lantern oder der Legion der Superhelden verbreitet. Gholson führt darin penibel auf, welche Autoren, Zeichner, Redakteure wie schnell wieder gefeuert wurden, weil ein Executive aus der oberen Etage mit der Arbeit des Autors, des Zeichners, des Redakteurs nicht zufrieden war. „Nicht zufrieden“ heißt in diesem Fall: Der oder die Executive fühlte sich übergangen, missachtet, nicht wert genug geschätzt, bekam Schiss ob einer vermeintlichen Experimentierfreudigkeit des AutorsZeichnersRedakteurs und beendete ein neues Storyprojekt so schnell, dass es keine Chance hatte, am Markt, beim Leser also, zu bestehen. Manchmal wurde auch kurz vor Start die Reißleine gezogen und dann ein alter Hase beauftragt, zu retten, was zu retten ist.
Diese fragwürdige Politik sieht man den Werken des Verlages an, der mal die unumstrittene Nummer Eins in seiner Branche war und heute verzweifelt dem Erfolg von MARVEL (Spider-Man, Avengers, Thor, Iron Man, X-Men) hinterherhechelt und dessen Ideen kopiert, dass es zum fremdschämen ist.
Das gibt es in jeder größeren Firma. Es gilt das Peter Prinzip: „In einer Firma, Behörde oder Organisation neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ („In a hierarchy every employee tends to rise to his level of incompetence“) Laurence J. Peter war ein kanadischer Soziologe und hat diesen bemerkenswerten Satz 1969 formuliert. Daraus wurde ein Buch, dass zu den Klassikern der Managementliteratur zählt.
Anders ausgedrückt: Das hierarchische System ist nicht darauf ausgelegt, dass jeder Einzelne an dem Platz Glück und Erfolg (für Arbeitnehmer wie -geber) findet und/oder produziert, wo er am besten ist. Glück und Erfolg definieren sich ausschließlich über die Höhe der Stufe, die der Hierarch erklommen hat. Können, Spaß, Fantasie, die Kreativitität anstachelnde Risikofreude spielen Nebenrollen. Menschlicher Instinkt wird hauptsächlich in die Karriere gelenkt, nicht in neue Geschäftsideen.
Leidenschaft für „das Produkt“ steht Spitzenmanagern bei der Karriere eher im Weg. Flexibel wollen sie sein – nicht auf einen Geschäftszweig festzulegen. Manager, die heute einen Autokonzern verlassen, heuern morgen beim Warenhauskonzern an. Manager verlassen ein Kinounternehmen und wechseln in einen Bäderbetrieb. Die Position ist entscheidend, nicht deren Inhalt, nicht deren Aufgabe. Und weil das ein Kreislauf ist – der Bädermann übernimmt den leeren Automanager-Stuhl, der Automann sitzt im Warenhauskonzern, der Warenhausmann wird Kinomanager – potenziert sich die Langeweile. Junge Talente, die von einer für die eigene Lebensplanung notwendige Festanstellung ohnehin nur noch träumen können, werden als Freiberufler ausgenommen und verfeuert, die jährliche Umsatzmarge durch bewährte alte Hasen, die den Status des immer Gleichen halten, gesichert („Die Rückkehr von …“, „Die Rache …“, „The Beginning …“). Nur: Wie lange noch? Die Margen werden schon knapper.
MARVEL hat seine Heroes längst ins Kino gebracht. Und DC? Die BATMAN-Filme hatten unterschiedliche Qualität, der letzte war enttäuschend. Der 225-Millionen-Dollar-Film Man of Steel wird mit 661 Millionen Einspiel als Kassenerfolg verkauft – die Kritiken waren mies, die Zuschauer gelangweilt, Teil 2 ist in Arbeit, mit Ben Affleck als Batman. Und sonst? Hat das Kino-DC-Universum eine seelenlose Green Lantern und Gerüchte über einen Gerechtigkeitsliga-Film zu bieten.
Da haben sich zwei Branchen gefunden, die von Kreativität leben, das Prinzip Kreativität aber durch das Prinzip Gewinnmarge ersetzt haben. Die großen Hollwood-Studios arbeiten ganz ähnlich. Auch da sitzen an den Schaltstellen Frauen und Männer, die ängstlich die Millionen verwalten und lieber 200 Millionen Dollar für einen Film ausgeben, der es dann nach Schema F krachen lässt, als mit dem Geld vier Filme zu produzieren, von denen zwei Erfolg haben, einer eine schwarze Null schreibt und einer als Verlust abgeschrieben wird. Es gilt die Regel: Richtig ist, was schon mal funktioniert hat. Regel 2 lautet: Wenn das nicht mehr funktioniert, war es falsch und der Zuständige wird gefeuert.
Schade eigentlich. Kino und Comics waren mal irrwitzige in-andere-Welten-Entführer …