Goulding's Lodge
Christoph,  Kino,  Urlaub

Um Erinnerungen zu überschreiben

Im Monument Valley habe ich in der Goulding’s Lodge eingecheckt – war der Vorschlag einer Freundin. Ich habe ein schönes Zimmer in einem zweigeschossigen Langhaus mit insgesamt etwa 50 Zimmern mit einem grandiosen Blick mitten ins rot leuchtende Valley.

Die Aussicht aus meinem Fenster in der Goulding's Lodge
Die Aussicht aus meinem Fenster in der Goulding’s Lodge

Ich fange gar nicht an, die Filme aufzuzählen, die hier entstanden sind. Das nähme kein Ende. Schon die Herfahrt über den Highway 163 war diesbezüglich herrlich. Das ist der Highway, der das zentrale Element des Original Thelma und Louise-Plakats bildet – auch wenn der Film überall in Utah, nur ausgerechnet nicht hier gedreht worden ist. Dafür aber Forrest Gump. Auf eben diesem Highway fällt ihm nach monatelangem Dauerlauf von Ost nach West nach Ost wieder nach West und wieder nach Ost plötzlich ein, dass jetzt mal gut ist mit dem Laufen, er nach Hause geht und eine verzweifelte Horde gläubiger Mitläufer mitten auf dem Highway 163 stehen lässt. An der Stelle habe ich heute ein Selfie gemacht. Musste sein.

Auch die Goulding’s Lodge erzählt eine filmreife Geschichte. Anfang der 1920er Jahre hat ein Harry Goulding hier mit seiner Frau Mike einen Handelsposten errichtet. Dann kam Ende der 20er die große Depression, alles brach zusammen, allen ging es dreckig und den Navajo Indianern, die hier lebten, ging es noch dreckiger. Goulding fuhr nach Hollywood, klopfte wochenlang an die Tür des Regisseurs John Ford, bis der endlich aufmachte und sich überzeugen ließ, dass das Monument Valley doch eine großartige Kulisse für einen Film abgäbe. Wenige Wochen später stand er mit seinem Filmteam mitten im Valley, drehte Stagecoach (1939 – auf deutsch mal „Höllenfahrt nach Santa Fé“, später auch „Ringo“) und rettete die Navajo.

Eine schöne Geschichte. Die wird hier sogar auf der Speisekarte des Restaurants „Stagecoach“ erzählt. Kann man die glauben? Einer der einflussreichsten Regisseure der Filmgeschichte – vier Regie-Oscars – der einige der reaktionärsten Western der Filmgeschichte gedreht hat, in denen Indianer bestenfalls Mädchen raubende Meuchelmörder sind, rettet die Navajo im Monument Valley, in dem er dort einen Western dreht, in dem Indianer Weiße jagende Wilde darstellen.

Erzähl die Legende

In einem seiner schönsten Western, Der Mann, der Liberty Wallance erschoss (1962), lässt Ford den Chefredakteur des „Shinbone Star“ den beeindruckenden Satz sagen „When the legend becomes fact, print the legend!“ Also: John Ford hat die Navajo 1939 gerettet. Steht ja auf der Speisekarte. Der Rest, auch das steht auf der Speisekarte, „ist Geschichte“. „Stagecoach“ hat er ja wirklich im Monument Valley gedreht – was auch immer der Auslöser gewesen sein mag.
Zur Ehrenrettung sei gesagt, dass John Ford 1964 mit dem Westen Cheyenne eine Art Abbitte an die Indianer leistete, indem er einen Western präsentierte, in dem die weißen Politiker in Washington von Landspekulanten, Eisenbahn- und Minenbesitzern beherrscht werden, während die Indianer als verfolgte Christen auf der Flucht gezeigt werden.

Fun Fact: Für „Stagecoach“ stand auf dem Filmplakat unter dem Namen der Hauptdarstellerin Claire Trevor der des jungen John Wayne, der mit diesem Film seinen Durchbruch feierte und zum Weltstar avancierte. Auch deswegen, weil viele der männlichen Filmstars der damaligen Zeit zum Militär gerufen wurden für den heraufziehenden Krieg, in den die USA nach Pearl Harbor 1941 eintraten. Die Filmstudios brauchten aber dringend Männer, um für die Nation Erbauendes zu drehen – Komödien, Heldensagen, Kriegspathos. Wayne, der oft als der starke, patriotische Mann in Uniform vor der Kamera stand, im Zivilleben ein konservativer Mann mit reaktionären Ansichten war, war wegen einer leichten Schulterverletzung und als Vater von vier Kindern vom Militärdienst befreit.

Ein revolutionärer Filmemacher

In der Lodge feiern sie John Ford und seine Schauspieler in einem kleinen Museum, voll gehängt mit Filmplakaten, Filmfotos und Aufnahmen vom Set, auf denen man auch die riesigen Scheinwerfer und die noch größeren Kameras sehen kann, die damals hin und her geschleppt werden mussten und mit denen Ford und seine jeweiligen Kameramänner (ja, waren alles Männer) erstaunliche, ja revolutionäre Filmproduktionen zustande gebracht hat.

Highway 163 ins Monument Valley, UtahAm Forrest Gump Point am Highway 163 in UtahDer zweite Ausblick aus meinem Zimmer in der Goulding's LodgeGoulding's LodgeSpeisekate im Restaurant Filmmuseum in der Goulding's LodgeIm Filmmuseum: Plakate zum Film John Wayne im Filmmuseum der Goulding's LodgeIm FilmmuseumFilmmuseum in der Goulding's LodgeGoulding's LodgeGoulding's Lodge
Highway 163 ins Monument Valley
Am Forrest Gump Point, Highway 163 in Utah
Der andere Ausblick aus meinem Zimmer in der Goulding’s Lodge
Goulding’s Lodge
Speisekate im Restaurant „Stagecoach“
Filmmuseum in der Goulding’s Lodge
Im Filmmuseum: Plakate zum Film „Cheyenne“
John Wayne im Filmmuseum der Goulding’s Lodge
Im Filmmuseum
Filmmuseum in der Goulding’s Lodge
Goulding’s Lodge
Goulding’s Lodge

Mir kam die „Goulding’s Lodge“ die ganze Zeit irgendwie bekannt vor; und zwar nicht weil sie in John Fords Der Teufelshauptmann einen Auftritt hat. Kann das sein? Hier? Naja, es sieht hier schon ein bisschen so aus. Schließlich holte ich die Fotos meiner USA-Reise von 1997 auf meinem wohlsortierten Smartphone hervor und siehe da: In der „Goulding’s Lodge“ haben wir schon im Mai 1997 logiert. Ich habe nur eine sehr vage Erinnerung daran: eine eher spärlich eingerichtete Übernachtungsgelegenheit, sehr nahe dran am Monument Valley. Damals haben wir noch auf Negativfilm fotografiert, maximal 36 Aufnahmen pro (teurer) Rolle, also gibt’s kaum Fotos, nur eines eben von der Aussicht, die sich mit der heutigen deckt. Heute ist die Lodge ein Großunternehmen, hier stehen zwei zweigeschossige Langhäuser à 50 Zimmer, ein paar Einzelgebäude, ein Campground für Zelte und Wohnmobile, dazu das Restaurant, eine Tankstelle, ein kleiner Supermarkt. Die Welt hat sich auch hier 27 Jahre weitergedreht.

Ich kann nicht reiten

Meine deutlichste Erinnerung ans Monument Valley 1997 ist: Ich sitze auf einem Pferd und versuche zu reiten. Pferde und ich, wir mögen uns grundsätzlich, sprechen aber unterschiedliche Sprachen und Dialekte. Wenn ich oben sitze, kann ich machen, was ich will, das Pferd bewegt sich nicht. So auch 1997. Ich weiß, dass sich das Pferd mit mir oben drauf vorwärts bewegt hat – ich habe das auf Video festgehalten. Ich fürchte allerdings, der feixende Navajo, dem die Pferde gehörten, trieb sie an. In meiner Erinnerung sitzt Christoph mit roter Forrest Gump-Kappe auf einem Pferd vor einem der imposanten roten Türme aus Sandstein, an denen schon Legionen von Cowboys und Indianern vorbei galoppiert sind, und kommt nicht von der Stelle.

Christoph 1997 im Monument Valley

Morgen fahre ich in meinem weißen Dodge und lasse mich später vom Tourguide in Bereiche fahren, in die man ohne ihn nicht gelangt. Ich werde jetzt neue Erinnerungen schaffen.

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