Im Acadia Nationalpark
Christoph,  Gesellschaft,  Reisen

Hupen im Nationalpark

Es ist mein letzter Tag an der Küste. Morgen biege ich nach Westen ab und sehe die Küste, wenn wir die Uferlinien der Großen Seen mal außen vor lassen, erst in knapp sieben Wochen in Kalifornien wieder.

Damit geht ein Reiseabschnitt zu Ende: Neuenglands Küste. Wunderschöne Gegenden habe ich kennengelernt: das bodenständige Mystic, das gemütliche Martha’s Vineyard und dieses fantastische Maine.

Warum bleibe ich nicht länger? Ich habe doch neun Wochen Zeit? Die ersten drei Wochen habe ich USA-Reiseexperten in die Hand gegeben und sie gebeten, mir eine Tour zu bauen. So selten, wie ich verreise, wollte ich eine Art organisierte Startrampe in meinen US-Roadtrip, die mich eingrooven, erst mal gucken lässt, wie das hier so läuft mit Essen, Fahren, Bezahlen, Stichwort: Trinkgeld, und so weiter – betreutes Reisen. Bis Chicago sind die meisten Hotels/Motels gebucht, da unterliege ich also gewissen zeitlichen Zwängen – die ich nicht als Zwang im negativen Sinne empfinde. Aber sagen wir mal so. Heute hätte ich gut am frühen Nachmittag schon weiterziehen können, statt erst morgen Vormittag.

Ich war im Acadia Nationalpark. Dem einzigen Nationalpark Neuenglands. Und der bietet Maine in a nutshell. Großartige Küstenlinien, schroffe Felsen, dichte – tatsächlich bunte – Wälder und strahlenden Sonnenschein. „Ruhe, Frieden und Natur pur“, preist mein Reiseführer.

Nun ja.

Rund drei Millionen Besucher zählt der Nationalpark pro Jahr. Ich glaube die Hälfte war heute da. Es war schwer, mal das Auto zu verlassen, weil die Parkplätze immer belegt waren. Es war schwer, den Scenic Driveway entlangzurollen, ständig drängelte einer oder bremste vor mir einer ab. Ruhe und Frieden sind schwer zu erspüren, wenn sich dauernd Familien zum Selfie postieren und dabei lautstark Freude haben. Ich will mich nicht beklagen, ich bin ja selbst einer von diesen Besuchern. Auch ich habe Parkplätze belegt, Fotos gemacht, sogar Selfies, und Gehweg beansprucht. So ist das da, wo es schön ist. Trotzdem wurde es mir zu viel. Besucherzentren, Gastronomie, Giftshops habe ich gemieden und mich außerhalb des Parks auf Mount Desert Island (das ist die Region, von der Acadia NP ein Teil ist) umgesehen. Eindruck: Maine, wunderbar! Die Leute wirken entspannt, die Landschaft ist zum Niederknien schön und es wirkt alles überschaubar.

Morgen also fahre ich westwärts Richtung White Mountains in New Hampshire, also noch Neuengland, aber nicht mehr Küste. Ich komme durch Bangor. Da spielen nicht nur Stephen King-Romane. Da lebt Stephen King auch. Ob ich mal an seinem Haus vorbeirolle? Am Ende lande ich als Figur in einem seiner nächsten Bücher, als der Schwarze Mann im weißen Dodge, der unbewegt und stumm am Haus vorbei rollt, dem der Tod auf dem Fuß folgt.

Maine werde ich morgen also verlassen. Auf meiner Reise erwarten mich – Reiseführerprosa – „Wanderwege, Wasserfälle und diverse Aussichtspunkte in die wunderbare Landschaft“. Und vermutlich auch ein paar Selfie-Touristen.

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