
Bummeln durch Portland
Ich habe meinem Navi im Auto verboten, Mautstraßen zu nutzen. Das hat zur Folge, dass ich in Maine, wo es einen – meist Maut behafteten – Freeway gibt und den Highway 1, der aber nicht unbedingt da hinführt, wo ich hin will, unentwegt durch Wohngebiete geleitet werde.
Wohngebiete sind in Maine keine Suburbs wie die, in denen Steven Spielberg E.T. nach Hause telefonieren, oder Tim Burton kleine Ausgeburten der Hölle gedeihen lässt. An der Nordostküste der Vereinigten Staaten siedeln die Menschen an den Nebenstraßen – kleine Landstraßen, an denen links und rechts die ikonischen Briefkästen mit den roten Blechfähnchen stehen und dahinter, hinter einem breiten Streifen sauber gemähten Rasens, dann das Wohnhaus. Immer aus Holz, maximal zweigeschossig, mit Basketballkorb in der Einfahrt plus dem Pick-Up und häufig noch einer Limousine. Momentan stehen auf vielen Rasenflächen – in knapp einem Monat wird gewählt – noch Sympathiebekundungen für die Kandidaten. In diesem Landstrich überwiegen die Harris-Walz-Schilder. Aber es gibt Ecken, da steht überall Trump auf den Schildern – ohne seinen Vize J.D. Vance, dafür mit „Make America Great again“.
Hier und da leuchten schon orangerote Kürbisse auf der Veranda. Im Radio sagte heute der Moderator, es sei ja erst die erste Oktoberwoche, dennoch richte sich „unsere Aufmerksamkeit“ zusehends auf … Halloween. „Thema heute in unserer Sendung: Was wähle ich für ein Kostüm? Dazu begrüße ich im Studio …“ Und dann war eine Kostümdesignerin zu Gast, die Tipps gab.
Die Football-Saison hat begonnen
Die Präsidentschaftswahl spielt natürlich eine Rolle, aber noch eher auf den einschlägigen Sendern FOX, CNN oder NBC. Hier in Orchard Beach gibt es einen Laden, dessen Betreiber seine Kassiervorgänge mechanisch durchführt, während sein Blick gebannt auf den FOX-News-Bildschirm gerichtet bleibt, auf dem der republikanische Kandidat eine seiner mäandernden Reden hält. Ein Blick an den Tankstellen hingegen auf die Schlagzeilen ausliegender Zeitungen lässt noch kein großes Wahlfieber vermuten – sehen wir mal davon ab, dass am vergangenen Dienstag das Duell der Kandidaten für das Amt des Vize-Präsidenten stattgefunden hat, das hier ausgiebig analysiert wird. Heute in einem Monat, 6. November, ist die Wahl gelaufen, ist der Tag danach. Aber die Football-Saison hat begonnen. Das scheint aufregender.
Ich war heute bummeln. Also nicht shoppen oder Schaufensterbummeln. Sondern einfach ziellos bummeln. Ich war in Portland. Die Stadt hat rund 68.000 Einwohner, das ist etwas weniger als ein Drittel der Einwohnerzahl meiner kleinen Hauptstadt und zeichnet sich dadurch aus, damit schon die größte Stadt des Staates zu sein. In Maine kennen sich alle persönlich, lautet ein Spruch, und ich weiß nicht, was da dran ist, er passt aber zu der sympathischen Stimmung, die ich hier wahrnehme. Portland ist eine Hafenstadt und weil die schon im 19. Jahrhundert von allen Hafenstädten an der Ostküste am nächsten zu Europa liegt, noch dazu in einer wunderbar geschützten Bucht, konnte sich hier ein Handelszentrum etablieren; heute gehören Nahrungsmittel, Holz, Papier und Tourismus zu weiteren Gewinnern.
Filmhistorisch gehört Portland zu den Unsichtbaren. Als genannter Schauplatz taucht der Ort meines Wissens kaum mal auf. Dabei hat er in gewisser Weise Geschichte geschrieben. Luis Mandoki hat hier 1999 Message in a Bottle gedreht, mit Kevin Costner, Robin Wright Penn und Paul Newman. Das ist die sehr erfolgreiche Verfilmung eines Nicholas Sparks-Romans, die eine ganze Welle von Sparks-Verfilmungen nach sich zog. Sparks siedelt seine Herz-Schmerz-Geschichten gerne in North Carolina an. In diesem Fall aber fiel als Drehort die Wahl auf Maine, Popham Beach doubelte den Wohnort des verwitweten Costner-Charakters. Und Portland doubelte Chicago, wo Robin Wright bei der „Tribune“ arbeitet.
Filmhistorisch unergiebig
Auch die Stephen King-Verfilmung Thinner (1997) ist in der Umgebung entstanden, und Mel Gibson stand hier als „Der Mann ohne Gesicht“ (1993) vor der Kamera. Das sind aber keine Gründe für mich, Umwege zu fahren, um die Drehorte zu finden; diese Filme sind keine Klassiker vom Kaliber „Der weiße Hai“, sind in meiner Biografie ohne Belang! Ich verfolge andere Ziele in Maine.
Deshalb war ich einfach bummeln. Ohne Ziel. Ganz so, als hätte ich einfach Urlaub und ließe mich treiben. Schaufenster gucken, Kaffee am Hafen, Portland Observatory hochklettern, Aussicht genießen, im Pub ein Bier und wieder Schaufenster gucken. Zum Abschluss Fort Williams in Port Elizabeth: Leuchttürme, merke ich, haben es mir angetan. Die Eindrücke des Tages habe ich im Video als Bewegtfotoalbum zusammengestellt.


4 Kommentare
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Markus
Portland, Maine… ich wusste nicht, dass es zwei Portlands in den USA gibt. Für mich war nur Portland in Oregon ein Begriff. Ich merke überhaupt an Deinen Blogs, wie wenig ich von den USA weiß. Alles seeehr interessant! Und habe ich schon gesagt, dass ich finde, dass die Blogs gut geschrieben sind! Gute Fahrt weiterhin (und fahr bloß nicht zu früh, damit Du den Indian Summer in voller Achönheit erlebst!)