1WTC, Manhattan erwacht
Christoph,  Kino,  Reisen

Ein neuer Tag, ein neuer Ort

Als ich heute morgen aufwache, geht gerade die Sonne auf. Über einem beinahe wolkenlosen Himmel. Die Glastürme rund um mein Hotelfenster leuchten rot und orange. Schön, dass ich noch die Vision mitnehmen kann, wie es auch hätte werden können während meiner kurzen Zeit in der Stadt. Meine Sachen, die ich im Bad zum Trocknen aufgehängt habe, haben es nicht ganz geschafft, sie gehen etwas klamm in den Koffer.

Zeit, groß darüber zu lamentieren, habe ich nicht. Den Kopf dazu auch gar nicht. Ich muss mein Auto abholen. Großes Ereignis, schließlich werden wir aller Voraussicht nach viel Zeit miteinander verbringen. Der Check-Out im Millennium Downtown ist so traurig, wie der Check In und so einige andere Zustände in diesem Hotel; ob ich mal bei Google oder, wie heißen die?, TripAdvisor über die abledern soll? Ach wozu? Ich bin nicht in die USA gekommen, um schlechte Laune zu haben.

Mein Mietwagen und ich, wir verstehen uns noch nicht

Mein Auto fällt irgendwie größer aus als erwartet. Angemietet war ein „Nissan X-Trail oder vergleichbar“. Jetzt steht da ein weißer Dodge Durango mit Ledersitzen, ApplePlay, Tempomat, Multimediadingsbums, Abstandhalter und solchen Sachen. Irgendwas sei durcheinander gekommen, erklärt mir der freundliche Mensch am Schalter. Ich verstehe ihn nur schwer – wie ich überhaupt feststelle, dass meine English-Speaking-Praxis über die vielen Not-English-Speaking-Jahre ganz schön gelitten hat – aber ich hätte halt jetzt ein größeres Auto zum vereinbarten Preis, sagt er. Mir fehlen buchstäblich die (amerikanischen) Worte, um mir die internen Kalkulationen eines Autoverleihers erklären zu lassen.

Der Dodge Durango, mit dem ich meinen Roadtrip USA bewerkstelligen möchte

Ich brauche eine halbe Stunde in der Garage des Autoverleihs, um die wichtigsten Funktionen zu finden. Das letzte Auto, das ich hatte, stammte aus dem Jahr 2009, das ist Steinzeit gegen die heutige Autotechnik. Als ich aus der Garage raus in den fließenden Manhattan-Verkehr einbiege, kann ich immerhin blinken und das Navi von meinem Handy auf dem Auto-Bildschirm sehen. Das im Auto verbaute Navi spricht nur Englisch, das ist mir ein bisschen heikel jetzt beim aus Manhattan-rausfahren.

Wenigstens einmal Ivy League aus der Nähe

Nachdem sich aber auch das als harmlose im Stau-Steherei entpuppt hat, haben sich nach rund 50 Meilen so viele Fragezeichen aufgetürmt, dass ich im Städtchen Rye, NY. mein Frühstück nachhole und dabei die Gebrauchsanleitung des Autos studiere und jetzt verstehe, dass das Display rund um Tacho und Drehzahlmesser deshalb so unpraktisch aussieht, weil ich es noch nicht individuell meinen Bedürfnissen angepasst habe. Danach sieht’s auch wirklich klüger aus. Auch die Autoeigene Navigationsdame spricht so klar, dass ich immer richtig abbiege.

Einen weiteren Zwischenstopp verbringe ich in New Haven, nicht, um noch mehr Auto-Funktionen zu studieren, sondern weil ich zur Yale-University will, die hier beheimatet ist. Ich stehe seltsamerweise auf dieses elitäre Ivy-League-Gehabe, und wenn ich schon mal in der Gegend bin, will ich wenigstens mal eine ihrer Vertreterinnen von außen sehen. Die halbe Innenstadt besteht aus Yale. Die Gebäude ähneln den Burgen, die ich im englischen Northumberland gesehen habe (well, they don‘t call it New England for nothing). Die Menschen sind eher jünger als älter – na ja, eine Uni-Stadt halt – ich empfinde eine entspannte Stimmung – good vibes; nördlich von New York City wird es spürbar freundlicher.

Essen, wo Julia Roberts zum Star wurde

Weil ich mich also mit meinem neuen Auto beschäftigt habe, erreiche ich mein heutiges Etappenziel erst am Nachmittag. Da macht der als „beeindruckend“ bewertete Seaport in Mystic, CT., gerade zu – dort haben sie die alte Hafenstadt von etwa 1850 wieder aufgebaut und wohl ein sehr authentisches Gefühl für die damalige Zeit hinbekommen. Schreibt mein Reiseführer. Neben den verschlossenen Türen erlebe ich trotzdem einen neuenglischen Spätnachmittag mit tief stehender Sonne und zwei Ruderbooten im Training auf dem Wasser. Es hat einen Hach-Moment.

Statt dessen esse ich an Julia Roberts‘ einstiger Wirkungsstätte. Die hat in Mystic zum ersten Mal vor der Kamera gestanden. Der Film Pizza, Pizza – ein Stück vom Himmel ist kein Muss im Leben eines Kinogängers, aber eben Miss Roberts‘ erster. Und er wurde gedreht in der Pizzaria, in der ich am Abend sitze. Die sah natürlich 1988 noch anders aus, verranzter, viel kleiner. Aber als der Film angelaufen war und sich herumgesprochen hatte, dass es die Pizzeria wirklich gibt, rannten ihnen die Leute die Bude ein. Die kleine Hauptstraße durch Mystic sei immer wieder vollgestopft gewesen mit wild parkenden Autos und Horden von plötzlichen Pizzafreunden, erzählen sie im Restaurant.

Im Restaurant "Mystic Pizza" in Mystic, CT.

Ich meine, die ein oder andere Ecke im erweiterten und erweiterten und nochmal erweiterten Laden wiederzuerkennen.

Aber, was weiß ich schon? Ich muss mich aufs Fahren konzentrieren. Morgen fahre ich auf eine Autofähre. Es geht zum Weißen Hai.

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