Ein Bürohochhaus bei Nacht
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A rainy day in New York

Dieses New York hat ja wirklich so gar nichts, was sich mit meiner kleinen Hauptstadt vergleichen ließe. New York – mit vollem Namen New York City – ist ja nicht mal eine Hauptstadt. Das ist im Bundesstaat New York die Stadt Albany. Aber im direkten Vergleich zu dieser Großstadt ist Mainz, nun ja, vielleicht ein nettes Appartement.

Wenn ich abends aus meinem Hotelfenster in Lower Manhattan gucke, habe ich, ich sagte es schon, 35 Stockwerke tiefer das Nine-Eleven Memorial vor dem Fenster, dazu das neue, in seiner Architektur wahrlich langweilige Nachfolgemodel der zerstörten, eleganten Zwillingstürme, und diverse andere Hochhäuser, die sie in Manhattan wohl nicht gleich Wolkenkratzer nennen würden, weil sie einfach bessere Bürogebäude sind, aber damit sind wir schon beim Punkt: Büroräume.

In das Gebäude direkt neben mir kann ich jetzt am Abend aus meinem 35. Stock über rund zehn Etagen in erleuchtete Fenster gucken und sehe … riesige Räume mit langen Tischen. Lauter Besprechungsräume für, vielleicht, Geschäftsessen. Wie Großraumbüros sind die nicht eingerichtet, obwohl es die ja geben muss. Irgendwer muss das ganze Geld ja verdienen, das nötig ist, um in dieser Stadt, zum Beispiel, einen Hamburger mit doppelt Bacon abseits der Franchise-Ketten für 16 Dollar essen zu können. Plus Getränk. Plus Steuer. Plus Trinkgeld.

In New York brauchst Du ein dickes Portemonnaie. Ich habe Urlaub und wusste das vorher. Ich bin aber auch nur drei Tage hier. Aber 365 Tage im Jahr? Plus Miete, plus mal ins Kino oder ins Theater? Und die Leute sehen hier ja auch nicht alle so aus, als würden sie sich in den auch zahlreich vorhandenen 99-Cent-Pizza-Shops satt machen. Die haben augenscheinlich schon Jobs, die sie hier auf höherem Niveau überleben lassen. Klar: Dass die Fantasiefigur Sherman McCoy hier durchkommt, einer dieser selbsternannten Masters of the Universe, verstehe ich. Aber die Kellner, die auf möglichst hohe Trinkgelder angewiesen sind? Die Deli-Betreiber mit ihren absurd sortierten Angebots-Regalen?

Als ich heute durch Lower Manhattan spaziert bin, kamen mir ständig Jogger mit einem Gesicht entgegen, das auf mindestens schon zehn Kilometer Strecke schätzen ließ. Jogger laufen hier nicht durch den Park, Jogger laufen in Lower Manhattan quer durch die Stadt, ich sehe sie überall. Der riesige Central Park ist weit weg, die Parks hier in der zugebauten Südspitze Manhattans sind für einen Dauerlauf nicht geeignet. Ist es das: „Ich ernähre mich von 99-Cent-Pizzen, renne mir anschließend die Kalorien wieder weg und funktioniere dann im täglichen Büro- und Vermehrungswettkampf?“

Eher wohl nicht.

Um mal eine Plattitüde zu bemühen: Manhattan brummt. Man hat hier keine ruhige Minute, es hupt, es lalülalaat, alle reden durcheinander. Alles ist geschäftig. Hast Du im Restaurant den letzten Bissen im Mund, legt der Kellner Dir auch schon die Rechnung hin. Es muss weitergehen. Man will ja schließlich mehr, als die 99-Cent-Pizza zum Abendessen.

Und damit zu meinem kleinen Ego in dieser Stadt, von der gesungen wird If You can make it there, You can make it everywhere. Meine Reise dauert neun Wochen, New York sind davon nur vier Tage, aber gleich der zweite, also Heute, war – ich weiß, das darf man als Urlauber niemals sagen – beschissen! Mein geplanter Rundflug mit dem Helikopter wurde wegen schlechten Wetters abgesagt. Und danach wurde das Wetter noch schlechter.

Es regnete dermaßen viel, dass ich sogar – ich bin deutscher Tourist, ich bin vorbereitet – meinen Schirm ausgepackt habe, und prompt zweierlei bemerkte. Niemand sonst in Lower Manhattan hatte einen Schirm aufgespannt. Die Einheimischen wissen, dass ein Wind durch die Hochhausgassen fegt, der jeden Schirm zu einem Gefahrgut macht. Für die Auswärtigen lohnt sich das zudem nicht, weil sie dann New York nicht mehr sehen. New York, das sind ja nicht ein paar Häuser mit offenbar unglaublich motivierten Menschen dazwischen und darin. Das sind ja auch lauter eng beieinander stehende 50-, 60-Stockwerke-Häuser in den unterschiedlichsten Baustilen, die man nur ohne einen die Sicht einschränkenden Regenschirm halbwegs erfassen kann. Also brachte ich den Schirm peinlich berührt zurück ins Hotel und ließ mich fortan nass regnen. Was hätte ich tun sollen? Auf dem Hotelzimmer bleiben?

Das hier ist ManHATTAN! If You can make it …!

Für mich war es ein nasskühler, klammer, für meine Kameras ein kontrastarmer, grauer Tag, bei dem meine CANON ihren Dienst eingestellt hat, so vollgeregnet ist sie (Ja: Ich habe momentan ein wenig Sorge um die Fortdauer der Kamera, aber sie hat das schon ein paar Mal durchgemacht). So ist Urlaub eben: Musst halt Glück haben).

If You can make it there…
…You can make it everywhere
Die Testikel des Bullen…
…für die Instagram-Gemeinde
Nine/Eleven
Bei den Ghostbusters
When Harry met Sally
„I’ll have, what she’s having“
Mott Street, Chinatown
Regen? Egal!

Auf meinem Weg durch die Stadt stolperte ich über die Ghostbusters (1984). Der Film war schon in seiner Entstehungszeit ein Klassiker, weil Ray Parker Juniors Song – Who You Gonna call? … GHOSTBUSTERS! – viele Monate lang die Charts und damit die Playlists (die damals noch nicht so hießen) der Radiosender und die Ohren der Menschen beherrschte. Die Filmfiguren residieren in einer alten Feuerwache, die innen zwar Hollywood-Kulissenbau, außen aber die reale Fassade einer Feuerwache im Stadtteil Tribeca darstellt.

Der feuchte, windige, aber tapfer durchwanderte – If You can make it here – Nachmittag ging in den Abend über und ich überlegte, wie ich abseits der erwähnten 99-Cent-Pizzen satt werden könnte, und da schreit für einen wie mich natürlich alles nach KATZ’s Deli! Das ist der Laden, in dem Regisseur Rob Reiner eine der nachhaltigsten Filmszenen für die zeitgenössische Paarbildung gedreht hat: In Harry und Sally (1989) macht Sally – gespielt von der hier grandiosen, wunderbar aufspielenden Meg Ryan – ihrem Begleiter klar, dass der keine Ahnung vom weiblichen Orgasmus habe; indem sie ihm einen Orgasmus, nun, wie soll ich das als Mann sagen, täuschend echt vorspielt – während sie mit ihm am Tisch in eben diesem Deli sitzt. Ihr Begleiter war sprachlos, das Kinopublikum begeistert. Der Satz vom Nachbartisch „I’ll have, what she’s having“ hängt heute über dem Tisch, an dem diese Szene gedreht wurde. Und das American Film Institute hat ihn in seine 100 Movie Quotes – Die 100 besten Filmzitate aus US-Filmen aller Zeiten aufgenommen. Zum Beispiel sowas unterstützen Leute (wie Jake Dell, dem der Laden heute gehört), die nur in Manhattan leben können, um ihren Laden ins Gespräch zu bringen.

Gegessen habe ich dann dort nicht. Da war kein Platz. Die Schlange der Leute, die um Einlass buhlten, war mehr als 20 Meter lang. Alle wollen in das Lokal, in dem Meg Ryan das Geheimnis des weiblichen Orgasmus’ aufklärt. Ich hoffe, die im Regen Anstehenden haben die entscheidenden Erkenntnisse mitnehmen können.

Und natürlich gehe ich trotz des verregneten New York weiter davon aus, dass mich der rotgelbbraun strahlende Indian Summer nördlich von New York während meiner Reise begeistern wird! Wenn ich den Regen hier ignoriere, I can do this everywhere.

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