
Weinprobe im Indian Summer
Endlich habe ich regionalen Wein gefunden. Immerhin ist die Peninsula, die Region zwischen Lake Huron im Osten und Lake Michigan im Westen auch eine Region, in der Wein angebaut wird. Wenn ich aber in die Weinregale gucke, stehen da Weine aus Kalifornien und Australien – und ein bisschen was aus Frankreich und Italien. Sortiert wird hier nicht nach Ländern oder Trauben. Sehr verbraucherorientiert gibt es Regale wie „Good for Your Party“, oder „White Wine, 2 Ltr“; es gibt auch „2 ½“ und „3 Ltr“.
Natürlich suche ich eher im Supermarkt. Für die sind die produzierten Mengen der lokalen Anbieter wahrscheinlich zu gering. Aber die kleinen Läden, in denen ein roter Kalifornier ab 30 Dollar aufwärts kostet, habe ich in New York City und auf Martha’s Vineyard gesehen, in Neuengland und hier aber bislang noch nicht; das kann daran liegen, dass ich Stadtbummel und Shopping nicht zu meinen Kernkompetenzen zähle und in Gegenden wie dieser hier lieber in die Natur gehe.
Und was ist die Gegend hier schön! Auf der Old Mission Peninsula im Norden der Stadt bin ich mitten im knallbunten Indian Summer gelandet. Endlich!
An einigen Stellen ist diese 20 Meilen in den nördlichen Lake Michigan ausragende Halbinsel nur eine Meile breit. Es gibt winzige Ortschaften, traumhaft schön gelegene Häuser, einen knuffigen Leuchtturm an der Nordspitze und ein paar Weingüter. Da habe ich dann – „Don’t drink and drive“ – nicht zweimal „Nein“ gesagt und eine kleine Weinprobe gemacht.
Ich konnte mir drei Weine aus der Karte aussuchen, die bekam ich in 0,1-Liter-Gläsern in einem „Flight Rack“ serviert – das ist so ein Gestell, da hängen die drei Gläser in unterschiedlicher Höhe gemäß meiner Bestellung: Den 2021 Estate Dry Riesling habe ich zuerst bestellt, der hing ganz oben, der 2022 Bubbly Chardonnay, den ich als drittes bestellt habe, hing unten. Dazwischen hing der 2020 Reserve Red Wine. Der war am besten, sehr fruchtig. Der Riesling, in Mainz sowas wie meine Haustraube, war sehr, sehr trocken und gar nicht fruchtig, erinnerte an Radiergummi.

Als deutscher Tourist stelle ich fest, dass ich die Region der Great Lakes übersehen und unterschätzt habe. Wie war das: Ich will nach Westen, entlang der kanadischen Grenze, aber für den Autofahrer sind da die Seen im Weg? Völlig verkehrt. Ich habe die Region jetzt nur gestreift – von Niagara Falls über Ann Arbor, Jackson, Frankenmuth, Chicago, Milwaukee, Grand Haven, Traverse City; die kanadische Seite mit Start in Montréal über Toronto habe ich ganz ausgelassen. Aber ich möchte behaupten, dass diese Region eine eigene Reise wert ist.
Ich verabschiede mich langsam aus der Gegend, steige morgen ins Auto, verlasse die Peninsula über die acht Kilometer lange Mackinac Bridge an der Stelle im Norden, an der sich Lake Huron und Lake Ontario berühren, und fahre Richtung Minneapolis. Weil es bis dahin aber ungefähr elf Stunden Fahrzeit sind, werde ich irgendwo unterwegs übernachten. Ich weiß noch nicht, wo. Irgendein Motel wird schon am Wegesrand stehen. Meine USA-Reiseexperten-Buchungen sind seit Chicago vorbei. Ich bin auf mich gestellt.


3 Kommentare
Pingback:
Pingback:
Markus
Den Rotwein hätte ich auch gern probiert. Riesling ist nie so mein Ding. Durch Deine Beschreibung habe ich jetzt mal diese Gegend kennengelernt, die war für mich völlig unbeschrieben. Schön!