Christoph am Strand von Grand Haven (Foto vom 24.10.2024)
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Ein Tag am Strand

Ich habe mich gehen lassen. Als heute morgen mein Wecker dingeldongte, habe ich kurz rausgeschaut, strahlender Sonnenschein, und mich wieder hingelegt. Pfeif auf Exkursionen, irgendwas rauskriegen, erleben zu wollen. Irgendwann muss auch mal Pause sein. Im Hinterland, also dem Gebiet zwischen den beiden Peninsula-Küsten bauen sie unter anderem Wein an. Weinberge habe ich daheim vor der Haustür. Aber wenn ich im Liquor Store eine Flasche hiesigen Weins entdecke, lasse ich mich gerne verführen. Ich suche noch. Wer hierher kommt, macht Ferien. Also habe ich auch Ferien gemacht.

Das herausragende Merkmal der Stadt Grand Haven ist eine „3“. Es gibt drei Städte, die irgendwie zusammengehören, und es gibt drei Leuchttürme. Die markieren am Ufer des Lake Michigan den Eingang in den Grand River. Man muss sich diese Gegend als wunderschön und recht zerklüftet vorstellen. Als die Eiszeit hier vorbei war, hatte der Gletscher, der Nordamerika überzogen hatte, neben den fünf großen Seen unzählige kleine und kleinste Gewässer zurückgelassen, um die sich lauter Ortschaften gegründet haben.

Der erwähnte Grand River nun trennt Grand Haven von zwei anderen Ansiedlungen: Ferrysburg und Spring Lake. Anderswo auf der Welt, wo die Eiszeit weniger Süßgewässer zurückgelassen hat, wären Ferrysburg und Springlake schlicht Stadtteile von Grand Haven. In der örtlichen Zeitung wird die Gegend stolz Tri-Cities genannt.

Die Ostküste brauchte Holz und Pelz

Dass es hier überhaupt dauerhafte Ansiedlungen gibt, hat die Gegend dem Hunger nach Platz und Luxus an der Ostküste im 19. Jahrhundert zu verdanken. New York brauchte Holz, um Wohnraum zu schaffen, und die Damen der entstehenden Gesellschaft Pelze, um angeben zu können. Beides kam aus dem Norden, der Gegend um die Großen Seen und dem heutigen Kanada.

Grand Haven wurde als Pelzhandels-Aussenposten von einem französischen Ehepaar errichtet. Den hat dann Johann Jakob Astor aufgekauft, deutschamerikanischer Unternehmer, der mit Pelzen und Immobilien Multimillionär und reichster Mann seiner Zeit wurde – sein Name ist noch heute geläufig im von seiner Familie gegründeten Waldorf-Astoria-Hotel. Durch das Pelzgeschäft der American Fur Company wurde Grand Haven zu einem wirtschaftlichen Zentrum der Region. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs das Holzgeschäft: Holz wurde in den umliegenden Wäldern geschlagen, im Ort verarbeitet und gehandelt. Grand Haven entwickelte sich zu einem Zentrum für Schiffbau.

Ein Strand ohne salzige Luft

Heute ist es ein niedlicher Urlaubsort für Familien mit Kindern und ältere Herrschaften. Was ich gesehen habe, könnte ich mir vorstellen, dass Teenager und Twens eher nicht glücklich werden – Cafés, Boutiquen, Souvenirläden und ein reichhaltiges Angebot für Outdoorfans säumen die zentrale Washington Street; wer gerne auf dem Fahrrad gegen den Wind ankämpft, findet hier gutes Ausgangsmaterial. Außerdem ist es ein Ort, an dem sich betuchte Bürger ein Zweithaus für den Sommer hinstellen, oder eines, in dem sie dauerhaft wohnen. Das sind nicht die „Rich as Hell“-Typen, die hier im demokratischen Wahlkampf gerade gegen die republikanische Seite ausgespielt werden; eher so die Merz’sche „Mittelklasse“. Am Strand reihen sich ein paar beeindruckende Villen aneinander.

Apropos Strand: Der Lake Michigan misst 58.000 Quadratkilometer. Das ist mehr als die hundertfache Fläche des Bodensee (536 Quadtratkilometer). An seinem Strand hier sieht es aus, wie an jedem Meer, an dem man schon mal Urlaub gemacht hat: Der Strand geht irgendwann ins Wasser über und das Wasser endet am Horizont, wo es in den Himmel übergeht. Ich konnte es mir nicht verkneifen, dieses Wasser zu probieren und tatsächlich: Ich war heute zum ersten Mal an einem Süßwasserstrand. Der kräftige Wind bläst einem frische Luft um die Nase, aber eben ohne salzige Note. Es hat ein bisschen gedauert, bis mir auffiel, was hier anders war, als an allen anderen Stränden, an denen ich schon mal Urlaub gemacht habe.

Mein Plan hatte für heute eigentlich vorgesehen, dass ich unter anderem in Grand Rapids vorbei schaue, keine 50 Kilometer von hier, zweitgrößte Stadt in Michigan und lange Zeit Zentrum der amerikanischen Möbelindustrie. Dort sind heute Abend bei einer Schießerei eine Frau getötet und zwei Männer verletzt worden.

Vielleicht ganz gut, dass ich mich heute Morgen habe gehen lassen und einfach an den Strand gesetzt habe.

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