Auf dem Freeway nach Grand Haven am 23.10.2024
Indian Summer,  Kino,  Reisen

Ein Tag auf der Straße

Ich bin wieder in Michigan, in Grand Haven am Ostufer des Lake Michigan. Den Ort habe ich mir ausgesucht, weil mir der Name so gut gefällt: Große Oase. Dass Grand Haven am Michigansee genau gegenüber von Milwaukee liegt, ist mir erst aufgefallen, als ich sah, dass in Milwaukee Car Ferrys gen Ostufer ablegen, die die Tour über den See in gut zwei Stunden absolvieren.

Blöderweise ist die Saison gerade zu Ende gegangen. Die letzte Fähre lief am Sonntag aus, als ich erst in Milwaukee eintraf. Also musste ich zurück, an Chicago vorbei um die Südseite des Sees fahren – rund 300 Meilen (480 Kilometer). Immerhin: Als ich Milwaukee verließ, hatte das architektonisch interessante Art Museum seine Flügel wieder aufgeklappt; ein freundlicher Abschiedsgruß, dass ich an den falschen Tagen in der Stadt war – Montag und Dienstag hat das Museum geschlossen.

Es wäre natürlich insgesamt einfacher gewesen, Grand Haven und die Peninsula im Anschluss an Ann Arbor zu besuchen, bevor ich nach Chicago komme – Peninsula nennen sie die Region zwischen Lake Michigan im Westen und Lake Huron im Osten. Wenn man sich das Gebiet der Großen Seen auf der Karte ansieht, bilden die fünf Gewässer eine Figur, die an einen hockenden Hund erinnert: Lake Superior ist der Kopf, Lake Michigan die Vorder-, Lake Huron die Hinterbeine; Lake Erie und Lake Ontario bilden die Wiese, auf die der Hund sein Geschäft macht. Peninsula also ist das Gebiet zwischen Vorder- und Hinterbeinen.

Das Problem war, dass wir das Hotel in Chicago schon Monate vor meiner Reise fest gebucht hatten, und mir erst bei der detaillierteren Recherche zu meiner Reise klar wurde, dass die Great-Lake-Region nicht etwa ein Hindernis darstellt für meine Autofahrt von Ost nach West, sondern im Gegenteil, eine der Attraktionen; viele US-Amerikaner machen hier Urlaub, sie scheint also sehr schön zu sein. Das ist der Nachteil, wenn man einfach mal drauflos bucht – immer Richtung Westen –, ohne zu wissen, wohin man da eigentlich genau fährt. Egal, habe ich nach Chicago eben Murmeltier-Woodstock und Wollte-ich-einfach-mal-hin-Milwaukee noch angehängt und hatte also heute nach vielen Tagen mit kaum Auto mal wieder eine ausführliche Reise mit meinem Dodge Durango GT. Weil es eine sehr lange Strecke werden würde, habe ich uns Interstate und Mautstraßen erlaubt, das ging flüssig, die Sonne schien, Tempomat und Abstandhalter taten ihre Dienste, ich hatte einen entspannten Tag am Steuer mit dem „Yellow Brick Road“-Album von Elton John und Deep Purples „Made in Japan“. Child in time, wenn draußen knackebunte Bäume vor blauem Himmel vorbei ziehen, ist eine Wucht.

Zwischendurch haben wir ein Gefängnis besucht. Das Joliet Correctional Center, seit 2002 bereits geschlossen, hat diversen Filmregisseuren als Kulisse gedient. Jake Blues wird hier zu Beginn des Films Blues Brothers (1980) aus dem Gefängnis entlassen und vor dem Tor von seinem Bruder Elwood mit einem aufgemotzten Polizeiauto abgeholt – „It’s a 106 Miles to Chicago. We got a full tank of gas, half a pack of cigarettes. It’s dark and we’re wearing sunglasses!“ (genau genommen sind’s nur knapp 44 Meilen, aber wer zählt das schon?) Arnold Schwarzenegger war mit Red Heat (1988) hier zu Gast und auch die TV-Serie „Prison Break“ ist hier gedreht worden – und ein paar weitere Filme, die in Deutschland aber keiner kennt.

Joliet Correctional Center

Ein gruseliger Bau. Bevor Filme gedreht wurden, wurden hier die meisten Hinrichtungen in Illinois durchgeführt, in diesem Gemäuer stand der meist genutzte elektrische Stuhl des Staates. Heute laden Billbords schon 20 Meilen vor Joliet am Interstate in das Hauntet Prison ein, das in den leer stehenden Bau eingezogen ist, so eine Art Geisterbahn für Fortgeschrittene.

In Grand Haven, der Großen Oase am Ufer des Sees, scheint morgen die Sonne.

Und in der Zeitzone bin ich der deutschen Zeit wieder eine Stunde näher gekommen – sechs Stunden Zeitunterschied.

Anderer Meinung? Hier können Sie sie formulieren,

This site uses Akismet to reduce spam. Learn how your comment data is processed.