Back again in New York
Ich hätte doch einfach meinen Mund halten können bei der Passkontrolle am JFK-Airport. Ich habe vor ein paar Tagen geschildert, dass die Einreisebeamten dort sehr humorlos sind. Wie lange ich denn im Land bliebe, fragte mich der Mann also und ich hätte ja einfach sowas allerwelttaugliches sagen können, wie: „Zwei Wochen, Wale gucken vor Cape Cod!“ Aber meine Lippen hatten da schon „Until November 29th“ formuliert.
Jetzt runzelte der Mann die Stirn und hatte auf einmal viele Fragen – durch wieviele Staaten, waren Sie schon mal in den USA so lange alleine unterwegs, ob ich Leute kenne, die ich unterwegs treffe – und ich konnte alle flüssig beantworten; bei der Zahl der Staaten musste ich bluffen, das weiß ich auswendig gar nicht. Dann hat er mich dann durchgewunken. Einfach so. Und die Herren vom Zoll hatten gerade eine Dame mittleren Alters am Wickel, für mich keine Zeit und also saß ich drei Minuten später im Taxi nach Manhattan.
Ja: die Subway ist mit etwa 14 Dollar für die Fahrt vom Flughafen in die Stadt viel günstiger, als die Taxen mit ihrem Pauschalpreis von rund 70 Dollar. Aber mein Gepäck war schwer, die Subwayfahrt mit vielem Treppauf, Treppab und Umsteigen verbunden. Da habe ich die bequemere Variante genommen. Und der – natürlich – pakistanische Fahrer, mit Turban, war so nett, von allen Staustrecken in die Stadt rein die über die Brooklyn Bridge zu stehen.
Das war ein sehr stimmungsvoller Auftakt für meine Reise: kein Ärger bei der Einreise und dann auf der spektakulärsten Route in diese spektakuläre Stadt, wo ich jetzt im 35. Stock meines Hotels direkt auf das neue World Trade Center und die „Fußabdrücke“ der in der New Yorker Skyline immer noch fehlenden Zwillingstürme gucke, die Terroristen am 11. September 2001 zerstört haben.
Der Besuch dort steht aber erst morgen auf meinem Plan. Heute bin ich mit der rumpelnden Subway wieder zurück nach Brooklyn gefahren. Subway: Da geht man einfach runter, hält seine Kreditkarte oder Handy ans Drehkreuz, es macht Ping, und man ist im New Yorker U-Bahnsystem; die Einzelfahrt für $ 2,90. In meiner kleinen Hauptstadt kostet die Fahrt € 3,55 und meistens funktioniert die Mobilitäts-App nicht richtig.
Brooklyn wäre, wenn es kein Stadtteil wäre, die viertgrößte Stadt der USA, nach New York, Los Angeles und Chicago. Brooklyn gilt als hip. Aber auf der eineinhalbstündigen Taxifahrt von Queens (in dem der JFK-Airport liegt) quer durch Brooklyn habe ich mehr Verfall gesehen. In East New York, Brownsville und Crown Heights marode Straßen, Häuser, die mehr als nur einen Anstrich gebrauchen könnten. Hierhin muss sich die Hippness aus dem Norden Brooklyns erst noch ausbreiten. Schon sehr hip ist Brooklyns Westseite, am Ufer des East River gegenüber von Manhattan, wo man diesen berühmten Blick auf Bridge und Lower Manhattan hat.
Außerdem ist da noch die Washington Bridge. Und die Washington Street, deren Ausrichtung die Brücke unsterblich gemacht hat. Aus dem Blick von der Straße auf die Brücke hat Sergio Leone sein Plakatmotiv zu Once upon a time in America (1984) gemacht. Damals tanzten da am unteren Bildrand ein paar halbstarke Vorstadtkriminelle zwischen den Häusern links und rechts, heute tummelt sich hier die Instagram-Welt. Zu der ich ja dann wohl jetzt auch gehöre: Ich wollte auch mein Foto. Wir haben uns gegenseitig höflich aus der Sichtachse gebeten und die Selfies der anderen übernommen, damit mal alle aus der Freundesgruppe auf dem Bild sind. Die Washington Street ist mittendrin über einen Häuserblock für den Autoverkehr gesperrt – genau wegen der vielen Fotografen, Knipser und Instagrammer, die die Fahrbahn ohnehin blockieren. Aber wenn man in der Straße dann sitzt, einen dieser hippen Schlubibürsch-Kaffeemischungen mit Hafermilch vor sich hat und die Melodie aus dem Film vor sich hin summt, ist das mit diesem Blick ein gemütlicher Ort.
Und auch, wenn die Sonne nur hinter Wolken unterging: Auf den Ufertreppen zu sitzen und zuzugucken, wie die Stadt, die niemals schläft, gegenüber nach und nach ihre Lichter anmacht, ist schön.
Das erste, was ich jemals über Brooklyn gelernt habe, ist, dass es nicht größer wird. Das hatte Woody Allen in Der Stadtneurotiker (1977) lernen müssen. Da hat er – als kleiner rothaariger, bebrillter Junge – alles Streben, Lernen und Leben eingestellt, weil: „Das Universum expandiert und wenn es expandiert, fällt es irgendwann auseinander. Warum soll ich mich also bemühen?“ Daraufhin platzt seiner Mutter der Kragen: „Was geht dich Dich das Universum an. Du bist hier in Brooklyn. Und Brooklyn expandiert nicht!“
Und dann tat es das doch.
2 Kommentare
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Micha
Hoffentlich wird der Flug nicht so lang