Don’t be so Deutsch
Was passieren kann, passiert. Wir hatten das Thema vor ein paar Tagen schon. Heute beim Einchecken sagt mir die Website der Lufthansa, man könne meine ESTA nicht finden. Das ist die behördliche Erlaubnis der Homeland Security, die USA im Prinzip betreten zu dürfen (wenn nichts dazwischen kommt). Diese Erlaubnis kann man online erwerben – es heißt: aber spätestens 24 Stunden vor Reiseantritt. Nun: Ich habe meine ESTA seit 11. März. Es dauerte ein paar Anrufe, zwei Scans, meine Nerven und die freundliche Managerin meines Reisebüros CANUSA, bis die Lufthansa meine ESTA schließlich doch finden konnte.
Jetzt habe ich eingecheckt, mir einen Sitz am Notausgang besorgt wegen meiner langen Beine und mein Handgepäck neu gestaltet. Ich nehme Elektronik mit, die die Lufthansa nur im Handgepäck erlaubt – Kameradrohne, Lithium-Akkus, dazu meine normale Kamera, das Laptop –, und weil das alles nicht ganz leicht ist, kann ich keinen Kabinenkoffer nehmen, der allein eineinhalb Kilo wiegt. Nun bin ich doch bei meinem geliebten Rucksack gelandet.
Ich esse keine Katzen
Ich reise in ein verwundertes Land aus einem verwundeten Land. Bei uns jammert gerade gefühlt jeder Zweite über sein schweres Los und alle anderen schimpfen über die anderen. Ich komme in ein verwundertes Land und bin adhoc froh, dass Springfield, Ohio, nicht auf meiner Tour liegt. In den kommenden neun Wochen bin ich wandernder Ausländer, eine Art Migrant, und der eine Präsidentschaftskandidat hat vor Kurzem gesagt, Leute wie ich äßen die Hunde und Katzen aus Springfield, Ohio. Der Mann sah bis vor einigen Wochen wie der sichere Sieger dieser Präsidentschaftswahl aus. Jetzt hat ihm eine dauerlachende Gegenkandidatin das Momentum aus der Hand genommen. Das hat viele Amerikaner, soweit man das über deutsche Medien nachvollziehen kann, dann doch verwundert.
Jetzt also hier depressive Nabelschau, die Mahnungen vor dem Gestern. Dort eine Kandidatin, die mit dem Schlachtruf „Joy“ fröhlich, ja optimistisch nach vorne blickt und alle – zumindest die medial sichtbaren Alle – mitreißt.
Einfach mal weniger Deutsch sein
Höre ich auf die durchschnittlichen Bedenkenträger, werde ich diese Reise nicht unbeschadet überstehen, ja vielleicht sogar, zwinkerzwinker: Bürgerkrieg, nicht überleben. Meine Lokalzeitung tat sich schwer, mein Abo zu unterbrechen mit dem Hinweis, neun Wochen verstoße gegen die Norm. Eine Dame am VRM-Telefon sagte, da müsse man erst einmal gucken, ob so eine lange Unterbrechung überhaupt vorgesehen sei. Ich verursache Störungen im Betriebsablauf, da muss ich mit Einschränkungen rechnen.
Solchen Erzählungen würde der in meiner Erinnerung an frühere Reisen über den großen Teich optimistische Amerikaner ein lächelndes „Good Luck“ entgegenhalten, „have a nice Trip“ und vielleicht hängt er (oder sie) „through God’s own Country“ an. Das Foto oben übrigens stammt von einer dieser früheren Reisen: ich 1989 am Grand Canyon. Entspannt.
Wenn ich nun neun Wochen durch das „Land der unbegrenzten Möglichkeiten“ reise, sollte ich mir diesen Optimismus, den es abseits der Politschreihälse in diesem riesigen Land hoffentlich noch gibt, vielleicht zu eigen machen, sollte beherzigen, was Paul Hallgrimson, 1978 der Basketballtrainer an meiner Gastschule Seahome High in Bellingham nördlich von Seattle (WA.), mir einst nahelegte: „Christoph, don’t be so Deutsch!“
Auf geht’s also: der deutsche Michel aus der kleinen Hauptstadt auf der Suche nach der final frontier. Oder einfach: ein Film-Nerd auf der Suche nach der Kulisse seines Leben. Morgen geht’s los!
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