Livingston, Montana
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Von Damals bis Übermorgen

Der Blick schweift weit über ockerfarbene Ebenen, unterbrochen hier und da mal von einem Gebäude – eine Farm, ein Lagerhaus – und endet im Westen an den schneebedeckten Ausläufern der Rocky Mountains. Eine wunderschöne Landschaft. Werbestrategen haben diese Gegend, die Crazy Mountains, schon in den 1970er Jahren für den Marlboro-Mann entdeckt.

Ich befinde mich auf einer Reise in den Westen, heute auch auf einer Reise durch die Zeit – von der Westernzeit bis in die des Raumschiffs Enterprise. Ich habe Billings verlassen, eine Stadt mit rauem Charme und einem scheußlichen Motel – eines Reisenden unwürdig. Ich will nach Bozeman. Das sind nur zwei Stunden Fahrt. Netto. Aber was für eine Strecke! In dieser Landschaft werden sechs Stunden daraus. Robert Redford hat in dieser Gegend seine Filme Aus der Mitte entspringt ein Fluss (1992) und Der Pferdeflüsterer (1998) gedreht. Er wusste, warum. Es ist eine Cinemascope-Landschaft.

Während ich einige der Drehorte der Filme abfahre, also wieder kreuz und quer Dinge sehe, die kein Reiseführer sieht, fühle ich mich in meiner Sympathie für Montana bestätigt, wegen seiner Weite, seiner Schönheit und wegen seiner Städte, die ohne Hochhäuser auskommen. Heute war ich in Big Timber, einem Städtchen mit rund 1.600 Einwohnern, einer Main Street und ein paar Nebenstraßen. Der Ort ist ein guter Startpunkt, um in den Yellowstone Nationalpark zu fahren. Mitte der 1990er Jahre haben hier die Schauspieler aus dem „Pferdeflüsterer“ während der Dreharbeiten rund um die Stadt im Grand Hotel gewohnt. Es gibt eine Galerie, ein Kino, einen Laden für alles und zwei, drei Saloons – und wenn man die Main Street runter blickt, blickt man auf die Berge am Horizont und auf die Ebenen zwischen ihnen und der Stadt.

Noch schöner ist Livingston, 40 Meilen weiter westlich den Highway 191 entlang. 7.000 Einwohner, Galerien, Cafés, ein Kino, Autozubehörläden und Schauplatz der städtischen Szenen aus „Aus der Mitte entspringt ein Fluss“. Es sieht hier aus, als sei die Zeit Mitte des 19. Jahrhunderts stehen geblieben. Der Film basiert auf der Biografie von Norman Maclean, die Geschichte spielt Anfang des 20. Jahrhunderts. Dazu mussten in den Straßen Livingstons ein paar Leuchtreklamen und Strommasten demontiert werden, vielmehr brauchten die Ausstatter kaum zu ändern. Im Film doublen die Straßen von Livingston dann die Straßen von Missoula – wenn die Filmbrüder Brad Pitt und Craig Sheffer nicht mit Fliegenfischen an den malerischen Flüssen der Gegend beschäftigt sind; einige will ich mir morgen angucken, Landschaft tanken.

Am Fuß der Rocky Mountains

Livingston hatte das Glück, von der Northern Pacific Railway (NPR) entdeckt zu werden. Ursprünglich war das hier nur ein kleiner Handelsposten am Yellowstone River. Für die Eisenbahn aber lag der Ort günstig. Die NPR richtete eine Zentrale sowie eine Eisenbahnwerkstatt ein, um die Lokomotiven vor ihrer Auffahrt zum 1.738 Meter hohen Bozeman-Pass zu versorgen.

Denn ab hier geht es in die Berge. Hier begann für die Siedlerströme Mitte des 19. Jahrhunderts, nachdem sie die monatelangen Entbehrungen auf ihrer Reise über die Great Plains überstanden hatten, der mühselige Aufstieg über die Rocky Mountains mit Kind, Kegel, Pferdewagen und Vieh. Die, die es schafften, erwartete an der Pazifikküste das Paradies. Aber das ist eine andere Geschichte für eine andere Reise.

Lazy J Motel in Big Timber, Montana – Drehort für Der PferdeflüstererGrand Hotel in Big Timber, Montana – Schlafplatz der Schauspieler von Der PferdeflüstererDer Friedhof von Big Timber, Montana, doubelt in Der Pferdeflüsterer das Little BighornCrazy Mountains, MontanaCrazy Mountains, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, MontanaLivingston, Montana
Lazy J Motel in Big Timber, Montana – Drehort für Der Pferdeflüsterer
Grand Hotel in Big Timber, Montana – Schlafplatz der Schauspieler von Der Pferdeflüsterer
Der Friedhof von Big Timber, Montana, doubelt in Der Pferdeflüsterer das Little Bighorn
Crazy Mountains, Montana
Crazy Mountains, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana
Livingston, Montana

Ich bleibe noch ein paar Tage in der Gegend, will noch nach Missoula und Darby, aber das hängt jetzt schwer von der Wetterentwicklung ab. Ich fühle mich hier bislang wie der Mensch gewordene Klimawandel. Allen Prognosen und Prophezeiungen von daheim zufolge müsste ich längst mit Schnee und Eis kämpfen, mindestens mit usseligem Regenwetter. Stattdessen strahlt meistens die Sonne von einem beinahe wolkenlosen Himmel – nasskalte Ausnahmen ein paar Stunden lang bestätigen diese Regel. Ich finde das natürlich toll, jeden Nachmittag nach Westen buchstäblich in den Sonnenuntergang zu fahren. Aber hier stehen nicht umsonst alle paar Meilen große Tafeln mit gelben Warnlampen. Wenn die blinken, ist die Straße ein paar Meilen weiter wegen starken Schnees gesperrt; da gehen tatsächlich echte Schranken auf der Interstate 90 runter. Kann jetzt jeden Tag passieren. Alle paar Meilen gibt es große Parkbuchten, in denen man Schneeketten aufziehen kann.

Bozeman an der Schwelle ins Universum

Mittlerweile habe ich mein Quartier in Bozeman bezogen, einer Stadt, die, wenn ich dem Reiseführer glauben darf, demnächst von juvenilen Wintersport- und Naturfans gentrifiziert ist. Der lonely planet wörtlich: „Bozeman sollte man möglichst schnell besuchen, solange dies noch eine der coolsten unbekannten Städte der Rockies ist.“

Ich bin natürlich nicht wegen solcher Reiseführerprosa in der Stadt. Bozeman ist die Geburtsstadt des Drehbuchautors Brannon Braga, der maßgeblich an der Entwicklung der Star Trek-Reihe seit 1992 beteiligt war. Durch ihn wissen wir, dass Bozeman in knapp 38 Jahren, 2063, galaktische Geschichte schreiben wird. Dann nämlich, genau am 5. April, wird der Raketenwissenschaftler Zefram Cochrane hier um die Ecke zum ersten Mal den von ihm entwickelten Warp-Antrieb testen, dadurch die Vulkanier auf die Erde aufmerksam werden lassen und damit den Grundstein für die Sternenflotte mit ihrem Flaggschiff „Enterprise“ legen. Der Rest ist Geschichte, nachzugucken etwa in Star Strek – Der erste Kontakt (1996). Die Sternenflotte verfügt in ihrem Weltraumhafen auch über ein Schiff, das auf den Namen Bozeman getauft ist.

Kleine Kilometerstatistik: Am 30. September habe ich in New York City meinen Dodge in Empfang genommen, habe seither an 32 Tagen 133,5 Stunden am Steuer gesessen und bin 6.246 Meilen gefahren – oder 10.052 Kilometer.

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