In der Innenstadt von St. George
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Die strahlende Stadt

Die Stadt St. George in Utah hat keine einfache Geschichte, seit sie Mitte des 19. Jahrhunderts gegründet wurde. Die wollten da groß in die Produktion vom Baumwolle einsteigen, was aber nicht gelang. Aus der Zeit haben die Einwohner ihren Spitznamen „Dixies“ weg. So bezeichnet man ja eigentlich die Südstaatler – also die konföderierten Südstaatler, die ihre Baumwolle konkurrenzlos günstig durch den Einsatz von Sklaven produzierten und darüber in Krieg gerieten mit den Yankees, den Norstaatlern. Zu denen auch Utah gehörte. Weil aber St. George in Utah zu der Zeit auch noch in Baumwolle machte, profitierte die Stadt indirekt von der Sklavenhaltung und hatte bald ihren Spitznamen weg.

Der Name prangt heute weithin sichtbar im roten Sandsteingebirge über der Stadt, die von diesen roten Bergen mehr oder weniger eingekesselt ist. Die Nachmittagssonne verwandelt die Innenstadt dann in ein hübsches, rot strahlendes Städtchen, das Kulissenbauer in Hollywood entworfen haben könnten. St. George liegt strategisch gut zu den umliegenden Nationalparks. Deshalb lieben Touristen und Filmproduzenten die 95.000-Einwohner-Stadt.

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Zahlreich sind die Filmproduktionen, die hier Station gemacht haben. Eifrigster Nutzer der spektakulären Umgebung war Robert Redford, der mehr noch als in Montana in Utah seine Filmheimat gefunden hat – George Roy Hill hat Szenen für Butch Cassidy und Sundance Kid 1969 hier auf besonderes Drängen Redfords gedreht. Sydney Pollack wenige Jahre später, 1972, Teile von Jeremiah Johnson mit Redford und sieben Jahre später auch große Teile des Elektrischen Reiters mit Redford und Jane Fonda. Auch Michael Douglas war 1984 Auf der Jagd nach dem Grünen Diamanten hier und Steven Spielberg mit den Dinosauriern aus seinem ersten Jurassic Park (1993).

John Wayne trifft Dirty Harry

Auch John Wayne war hier, als Hauptdarsteller in einer Produktion des Unternehmers, Luftfahrtpioniers und Millionärs Howard Hughes. „Der Eroberer“ von 1954 manifestiert die weitere nicht einfache Geschichte der Stadt St. George. 1953 wurden auf der Nevada Test Site, 100 Meilen weit im Westen, elf Atombomben getestet, darunter am 19. Mai die auf den Namen „Harry“ getaufte. Trotz ihrer geringen Sprengkraft lieferte „Harry“ die wirksamste Explosion. Sie führte zum schlimmsten radioaktiven Fallout eines Atombombentests auf dem amerikanischen Kontinent; daher stammt der Spitzname Dirty Harry. In der Folge kam es in St. George zu radioaktivem Niederschlag. Die United States Atomic Energy Commission stellte neun Jahre später fest, dass die Schilddrüsen der Kinder unnatürlich hohen Strahlungsdosen ausgesetzt waren.

1954, ein Jahr nach „Harry“, drehte Regisseur Dick Powell in St. George die Außenaufnahmen seines Films „Der Eroberer“. 220 Männer und Frauen bildeten das Filmteam vor Ort. 30 Jahre später waren 90 Mitglieder an Krebs erkrankt, 1981 waren 46 der Beteiligten gestorben. John Wayne starb 1979 im Alter von 72 Jahren an Magenkrebs. Schon 1964 war ihm sein linker Lungenflügel entfernt worden. Zusammenhänge? Weiß man nicht so genau.

Ein langer Tag am Steuer mit politischem Talk Radio

Hier bin ich nun, in St. George, der strahlenden Stadt, habe sechs dann doch lang gewordene Stunden im Auto gesessen. Die Fahrten über die Scenic Highways statt über die schnellen Interstates sind wirklich schön. Heute allerdings war außer Salzsee und trockenen Landschaften keine Abwechslung – und keine Möglichkeit, zu einer Mittagspause anzuhalten, selbst die Golden Arches und Starbucks sehen in der Leere keine Chance auf Geschäfte. Die Gegend zwischen Schell Creek Range und Escalante Desert fing nach vier Stunden an, sich zu ziehen.

Aber ich hatte ja nichts vor sonst. Also hörte ich Radio – in den Talksendern wird immer noch ausführlich das Wahlergebnis vom vergangenen Dienstag analysiert und jede Personalie des künftigen US-Präsidenten sehr sorgfältig mit Professoren und New-York-Times-Kolumnistinnen diskutiert. Im Fernsehen ebenso wie im Radio; es gibt gerade kein anderes Thema. Leider halten die Frequenzen im Auto nie lange, dann suche ich wieder. Heute landete ich dabei bei Sean Hannity auf Fox Radio, der während der zwei Stunden im Gespräch mit Hörern und Ex-Ministern erklärte, was die Demokraten alles nicht machen oder falsch und wieso die Kandidatin der Demokraten von Anfang an chancenlos gewesen sei – die sei ja nicht mal in den Vorwahlen gewesen. Im Auto war das die größte Abwechslung heute. Mal nicht die besorgten Moderatorinnen und behutsam argumentierenden Gäste zu hören, die so klingen, als säßen sie schon auf gepackten Koffern. Sondern die anderen. Es war also zumindest ein politisch ausgewogenes Radioprogramm heute.

Nix mehr mit Auf ein Motel vor Sonnenuntergang hoffen

Für alte weiße Männer ist nicht alles schlecht an der modernen Zeit. In den 80er und 90er Jahren mussten wir auf unseren USA-Reisen noch auf die günstigen Motels am Wegesrand hoffen. Heute kann ich in verschiedenen Apps schon mal schauen, welche Accommodations es denn in der Zielstadt geben wird und wie teuer die sind. Und buchen kann ich dann auch gleich. So sitze ich nun im Red Lion Hotel, St. George, und mache gleich das Licht aus. Leere Abwechslungslosigkeit, so schön sie sei, macht müde.

Morgen besuche ich Thelma und Louise und Butch Cassidy und Sundance Kid und – was ich so höre – ein grandioses Naturerlebnis.

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