Allgemein

  • Franz Beckenbauer bei Sky Sport News (Screenshot des Interviews bei Sky Sport News)

    Die Gelassenheit des Alters

    Der „Firle-Franz“. „Franz Wurst“. Die Namen, die sich die deutschen Leitmedien für die Lichtgestalt, Kaiser Franz Beckenbauer, so einfallen lassen, sind vielseitig. Ebenso vielseitig, wie die sprachlichen Blüten des viel Benamten. „Schau’n mer mal!“ Ob er mal „in einem Jahr 15 Monate durchgespielt“ hat, ob er die Ansicht vertritt, dass es „nur eine Möglichkeit gibt: Sieg, Unentschieden oder Niederlage“ oder erkennt, dass die „Schweden keine Holländer sind. Das hat man ganz deutlich gesehen“, ob er über Sklavenarbeiten in Katar nichts sagen kann, weil er dort keine Sklaven gesehen hat und das, obwohl er – im Gegensatz zu manchem Journalisten, der so großsprecherisch über Sklaverei schreibe – in Katar selber gewesen…

  • Wolfgang Niedecken, BAP

    Verdamp vill Zick verjange

    Verdamp lang her, dass Wolfgang Niedecken den Namen seiner Band als Abkürzung für „billig, attraktiv und preiswert“ übersetzte, weil seine Fans aus Schülern und Studenten bestanden. Die Konzertbesucher hier in Bensheim an der Bergstraße sind wohlhabende Mittelstands-Bürger und erinnern an die Typen, vor denen uns Niedecken früher immer gewarnt hat. Frauen mit pflegeleichter Kurzhaarfrisur, Spaghettiträger-Kleid, lackierte Fußnägel in Kunstleder-Sandalen. Männer mit grauem Haarkranz, bedrucktem Sweatshirt und halblange Hose aus dem Koffer für den Pauschalurlaub. Dä Durchblickprofi uss dämm Bausparverein, rundömjebräunt, met Frau un Pudel doheim; met singer Einbaukösch, die rustikal ess, ävver dennoch modern. Dä Naach für Naach bess zom Projrammschluß em Sessel hängk, dä veezehn Daach Benidorm paradiesisch fingk.…

  • Design H. R. Giger

    Der Designer des Alien ist tot

    Seine Schöpfung trieb die Menschen kreidebleich aus dem Kino. 1979 war das, seine Schöpfung blieb ohne Namen und nur ein „Alien“ („Fremder“). Sein Name ging damals um die Welt: H.R. Giger. Am Montagnachmittag ist Giger gestorben – an den Folgen eines schweren Sturzes. „Biomechanoiden“ wurden Zentrum seiner Arbeit, Wesen – halb Organ, halb Maschine – in beklemmendem Halbdunkel, häufig in obszöner Darstellung. Nicht zuletzt diese düstere Erotik hat dem Mann aus dem schweizerischen Graubünden die weltweite Anerkennung versagt. Mit seinen Bildern und Skulpturen verstörte H.R. Giger die Kunstwelt – jedenfalls damals, Ende der 1970er Jahre, als die Kultur noch in den Nachwehen selig-bunter Flower-Power-Pop-Art schwelgte. Einige Kritiker verunglimpften Giger als…

  • Das CineStar-Kino in Mainz

    Das Kino führt die Werbepause ein

    Die Kinobranche leidet. Wenn man ganz genau hinhört, ist am Horizont schon das Bim Bim Bim des Totenglöckchens zu vernehmen. Die armen Kinos: Die Filme werden immer platter. Die Kinos, die Filme zeigen, die nicht platt sind, tun das in Räumen mit winziger Leinwand, in denen ich den Betrieb im Dönerladen nebenan mitverfolgen kann. Die Leute downloaden sich den aktuellen Film lieber und gucken daheim auf dem großen Plasma in Dolby Surround – wozu ins Kino, wo’s teuer ist und die Leute ununterbrochen im Popcorn rascheln? Ja, die Branche hat es schwer, die Besucherzahlen sind rückläufig; heute wird es als Erfolg verkauft, wenn der Rücklauf mal weniger steil ausfällt. Die…

  • Titel: The Lego Movie

    Bauen ist Leben, Ordnung ist Stillstand

    Der Erfolg des „Lego Movie“ zeigt, dass die Menschen es satt haben, sich mit komplexen Themen wie Griechen-Schulden oder Freihandelsabkommen auseinanderzusetzen. Das Prinzip Lego ist einfacher – und schafft sogar den Berliner Flughafen. Die Schurken sind die Ordnungsliebenden. Die Schurken sind die, die darauf pochen, dass Baupläne umgesetzt, Kostenvoranschläge eingehalten werden. Die Schurken sitzen an den Schalthebeln der Macht, stellen den Präsidenten in Lego-Land. Was sagt es uns, wenn hundsgemeine Kinoschurken heute nicht mehr Darth Vader, Saruman oder Voldemort heißen? Sondern Lord Business – „Herr des Geschäfts“? Meisterbauer am BER Diese Herren über die Geschäfte werden bekämpft von Anarchisten, von Typen, die sich selbst „Meisterbauer“ nennen und den Sinn des…

  • Möge die Macht mit Dir sein

    Leben zwischen Arschlöchern und Jedi-Rittern

    Das waren zwei Scheiß-Tage. Warum musste ich mich auch auf diese Diskussion einlassen? Über Kino, Kulturförderung und wer die bezahlen sollte. Noch dazu auf facebook? Mit einem Kulturfaschisten, der Kinobetreiber, die mit Filmen wie White House Down hoffen, Geld zu verdienen, mit hohen (Kulturförder)Abgaben bestrafen will; der Menschen, die solche Filme gerne gucken – „na ja, überspitzt ausgedrückt“ – ins Umerziehungslager stecken will; der „Missstände anprangert, aber keine Lösungsansätze“ bietet? Ich Depp! Ich sollte es einfach lassen, oder – wie mein 22 Jahre jüngerer Kollege F. es formuliert – nicht über jedes Stöckchen springen, das mir einer hin hält. Naja, jedenfalls hat das meiner ohnehin in diesen Tagen nicht ausgeprägt…

  • Jan Brandt: Gegen die Welt

    Einfach nur Urlaub

    Okay, Wetter ist diesig, will sagen, da sind so Wolken vor der Sonne, also ein paar … eher Schäfchenwolken so und ist ziemlich heiß heute und ich mag mich nicht dem ProgrammmachenumdesProgrammmachenwillens-Programm anschließen, das heute wenigstens einen Besuch am Strand vorsieht, weil: Ich hab noch hundert Seiten zu lesen in einem extreeem spannenden Buch. Aber „am Strand lesen“ und ich, das sind unterschiedliche Welten. Lese ich auf dem Bauch, habe ich nach zehn Minuten Rückenschmerzen. Lese ich auf dem Rücken, kann ich das Buch nach zehn Minuten nicht mehr über mir halten. Lese ich auf der Seite, den Kopf in die Hand gestützt … schläft meine Hand ein (und nicht…

  • Beim Abendessen in La Calera

    … der Kinder wegen

    Gemäß einem alten Urlaubsrhythmus – ein Tag Action, ein Tag Ruhe – habe ich unsere Sonnenterrasse zum Programmpunkt erhoben. Die anderen sind shoppen, am Strand, spazieren (nicht wandern), ich habe dem Tag beim Werden zugesehen. Dabei fällt mir der kleine Junge wieder ein, der neulich Abend am Nachbartisch saß. Ich hatte ein Foto unserer kleinen Tischgesellschaft gemacht, im Monitor der Kamera überprüft und, weil es nicht ordentlich belichtet war, gelöscht und neu versucht – drei Mal habe ich das gemacht, bis es passte. Ich setzte mich hin und trank einen Schluck Wein. Dann fiel mir der Junge auf, vielleicht sechs, sieben Jahre alt. Er blickte angestrengt auf den Monitor eines…