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Auf nach Digitalien
Ich habe einen Account bei Facebook. Ich bin bei Twitter. Auf Instagram lade ich bisweilen Bilder hoch. Bei Pinterest bin ich auch immer noch. Seit neuestem probiere ich mich auf Snapchat. All diese Accounts sinnvoll zu steuern, sie vernünftig zu nutzen, erfordert andere Skills, als sich in ein Auto zu setzen, zur Arbeit zu fahren und im analogen Miteinander das Leben nicht den Bach runter gehen zu lassen. Als Christoph Hartung eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem digitalisierten Hologramm verwandelt. Ich verwandele mich. Meine analoge Körperlichkeit entwickelt sich zu einem 90 Kilo schweren Anhang eines Geistes, der zu lernen beginnt, dass er…
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Scheiß auf die Nachrichten!
Jetzt ist schon wieder März. Das Jahr geht in seinen dritten Monat. Und es ist ein besonderes Jahr; jedenfalls für mich. Ich scheide Mitte Mai aus meinem aktiven Job aus und es wäre gelogen zu behaupten, dass mich das total happy macht. Ich will aber nicht jammern, zumal ich glaube, dass es genau der richtige Zeitpunkt ist – aber es bleibt ein angenehmer Zufall. Im Kino ist gerade Spotlight angelaufen, ein Film, der den Job des Journalisten preist. Ich habe eben die dritte (und bedauerlicherweise letzte) Staffel der HBO-Serie The Newsroom geschaut, eine TV-Serie aus der Feder des großartigen Aaron Sorkin (Hallo, Mr. President – 1995), die die hehren Werte…
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Sprachbarrieren
Plötzlich stehen fünf Kinder um mich herum, ein Drittel so groß wie ich, Kippa, neugierige Augen, keine Scheu vor dem Fremden. Es zeigt sich, wo die Grenzen der Weltsprache Englisch sind. Ein „Shalom“ bekäme ich gerade noch hin – wenn es nicht so albern wäre: Kinder tanzen um Dich herum, wollen offensichtlich dringend etwas wissen und Du sagst Ja, hallo erstmal? Dann habe ich im lonely planet noch gelernt „Slikha“ und „ani lo mevin“. Und obwohl ich gerade diese beiden Sätze gebüffelt und gebüffelt und gebüffelt habe – als diese entzückenden Kinder doch einfach nur was wissen wollen von mir, kann ich weder „Tut mir leid“ noch „ich verstehe nicht“…
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Ein Sender, ein Gipfel, ein Team
Plötzlich bin ich wieder Reporter. Der Tag, der mit einer Pleite Fahrt aufnahm, endet in fröhlichem Miteinander an der Hotelbar, während Barcelona die Champions League gewinnt. Der Satz „Wir sind doch ein Sender“ – der eigentlich gerne meinen will „Wir sind doch eine Familie“ – verliert hier in Garmisch-Partenkirchen seine klebrige Verlogenheit. Ich hatte mich darauf vorbereitet, mich mit meiner Kamera heute ins Getümmel der ersten Großdemo hier zu stürzen, Auftrag: Bilder liefern für die Reporter, die die G7-Stücke für unsere Abendnachrichten bauen. Orga-Chef A. sah in mir als Videojournalist („VJ“), als Kamerareporter vor allem die schnelle, mobile Reportage-Unit; die Vorteile des Ein-Mann-Teams in einer Großdemo, bei der Gewalt nicht…
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Die Idylle macht krank
Ja, ich kann das Wort auch nicht mehr hören: Idylle. Wir Journalisten, die wir als Berufskrankheit den Zynismus mit uns herumschleppen, empfinden Idylle als NonPlusUltra des Unerreichbaren. Deshalb setzen wir sie so gerne als Kontrastmittel ein, als größtmögliche Fallhöhe – „Boah diese Idylle, wie schön“, „Boah diese Spitzenpolitiker, guck, wie die diese Idylle zerstören“ – wenn wir sonst schon nicht wissen, was die Politiker eigentlich hier wollen und, schlimmer, was wir eigentlich dauernd über sie berichten sollen. Also berichten wir über die Idylle, aktuell die Idylle von Krün. Und ich mittendrin … oh, es ist nicht so, dass ich gegen diesen Virus der idyllischen Fallhöhe gefeit wäre – ich rede…
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Servus, Wöid
G7-Gipfel. Die Mächtigen der Welt treffen sich. Und sorgen zunächst einmal für Staus auf den Autobahnen, in denen Menschen stehen, die ganz andere Probleme haben, als das, die Erderwärmung auf 2 Grad in soundsoviel Jahren begrenzen zu wollen; die Leute im Stau wollen in ihren Brückentags-Urlaub, haben häufig quengelnde Gören im Fonds sitzen, die seit Wochen nicht in der Kita betreut werden können, draußen hat‘s 30 Grad, aber hier staut‘s, weil in ein paar Tagen der Obama und die Merkel und die anderen, deren Namen einem immer nicht einfallen, auf einem Schloss bei Garmisch Partenkirchen miteinander reden wollen – und sind wir ehrlich: Von diesem Elmau haben wir bis vor…
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Ein Minister kotzt sich aus
Na, da hat sich ja mal einer aus dem Fenster gehängt. Frank-Walter Steinmeier, Deutschlands oberster Diplomat, hat sich mal ausgekotzt und ein paar „Frieden, Frieden! Ihr Kriegstreiber!“ krakeelende Demonstranten nieder gebrüllt. 500.000 Klicks bei Youtube. Oder schon 700.000? Egal, auf jeden Fall etwa 1.000 mal so viele, wie sonstige Steinmeier-Videos so erreichen. Kalkül? Echter Zorn? Wer weiß das schon? Schließlich ist Wahlkampf und das linker-Zeigefinger-rechter-Zeigefinger-Gefuchtel bei rauer Brüllstimme kennen wir von seinen Auftritten. Aber nicht so scharf. In unserer auf Konsens gebügelten Gesellschaft geht das schnell nach hinten los. Konflikte werden klein gehalten, die Kritiker stigmatisiert. Nicht das Kritisierte ist möglicherweise mit Mängeln behaftet, sondern der, der die Mängel ausspricht.…
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Peters Prinzip
John Gholson schrieb in seinem Comic-Blog Gutters & Panels neulich über die Personalführungs-Gepflogenheiten im DC-Verlag – das ist der Verlag, der seit bald 70 Jahren die Abenteuer von SUPERMAN, BATMAN, Green Lantern oder der Legion der Superhelden verbreitet. Gholson führt darin penibel auf, welche Autoren, Zeichner, Redakteure wie schnell wieder gefeuert wurden, weil ein Executive aus der oberen Etage mit der Arbeit des Autors, des Zeichners, des Redakteurs nicht zufrieden war. „Nicht zufrieden“ heißt in diesem Fall: Der oder die Executive fühlte sich übergangen, missachtet, nicht wert genug geschätzt, bekam Schiss ob einer vermeintlichen Experimentierfreudigkeit des AutorsZeichnersRedakteurs und beendete ein neues Storyprojekt so schnell, dass es keine Chance hatte, am…