• Wahlzettel zur Bundestagswahl 2013

    Überforderte Strategen

    Erstaunlich. Zum ersten Mal werden in diesem Wahljahr die Nichtwähler gedissed. Irgendeiner hat angefangen, die Medien, gelangweilt von ihren eigenen, immer gleichen Wahldramaturgien, sind aufgesprungen und jetzt ist der Nichtwähler nur noch unter Nichtwählern cool. Alle anderen finden ihn seit ein paar Wochen blöd und texten ihn mit Gründen zu, die alle auf ein „Man muss halt wählen. Woanders sterben Menschen für das Wahlrecht!“ hinauslaufen. Ich persönlich glaube ja, dass man den überzeugt lustlosen Nichtwähler mit derlei Richtigsprech nicht ins Wahllokal bringt, wundere mich andererseits aber auch über das beliebte die-machen-doch-eh-was-sie-wollen, wenn es doch so illustre Vereinigungen wie die Bibeltreuen Christen oder die Autofahrerpartei oder irgendwelche Tierfreunde gibt, die man…

  • Die Helden des DC-Comic-Universums: Flash, Aquaman, Superman, Batman, Wonder Woman, Cyborg, Green Lantern

    Peters Prinzip

    John Gholson schrieb in seinem Comic-Blog Gutters & Panels neulich über die Personalführungs-Gepflogenheiten im DC-Verlag – das ist der Verlag, der seit bald 70 Jahren die Abenteuer von SUPERMAN, BATMAN, Green Lantern oder der Legion der Superhelden verbreitet. Gholson führt darin penibel auf, welche Autoren, Zeichner, Redakteure wie schnell wieder gefeuert wurden, weil ein Executive aus der oberen Etage mit der Arbeit des Autors, des Zeichners, des Redakteurs nicht zufrieden war. „Nicht zufrieden“ heißt in diesem Fall: Der oder die Executive fühlte sich übergangen, missachtet, nicht wert genug geschätzt, bekam Schiss ob einer vermeintlichen Experimentierfreudigkeit des AutorsZeichnersRedakteurs und beendete ein neues Storyprojekt so schnell, dass es keine Chance hatte, am…

  • An der Kaiserstraße in Mainz stehen am Freitag, 6. September 2013, Plakate der Kandidaten zur Bundestagswahl 2013

    Glatt gelogen

    „Die lügen doch alle!“ „Is‘ Wahlkampf. Erzählt doch jeder seine Märchen!“ Es ist aber auch wirklich schwer, Menschen zu vertrauen, die sich mir per Großporträt am Straßenrand andienen wollen, nachdem sie sich zunächst mal einer Bildbearbeitung unterzogen haben, um … ja, was eigentlich, jünger? … zu wirken. Diese Wahlplakat-Gesichter sehen gar nicht aus, als gehörten sie zu Menschen – Brüderle dem Botox zum Opfer gefallen, Merkel die Fältchen wegradiert, Steinbrück den teigigen Teint blaugestählt – Wahlkampf unter Photoshop. Wie soll ich einem Politiker vertrauen, der schon lügt, wenn er mir nur sein Gesicht zeigt? Wenn er noch gar nicht den Mund aufgemacht hat? Und was eigentlich ist gegen Politiker zu…

  • Frauenbeine

    Als Prinzessin geboren

    Ich kann jederzeit erkennen, welche Frau als Kind von Sugardaddy auf Händen getragen und „meine Prinzessin“ gerufen wurde. Diese Frau steht heute immer im Weg. Im Supermarkt steht sie mit dem quer gerollten Einkaufswagen im Gang und betrachtet angelegentlich die Auswahl in den Regalen, während ein an-ihr-vorbei-kommen nur unter bedrohlich misszuverstehendem Körperkontakt möglich wäre. Mache ich sie mit meinem Wunsch vertraut, vorbei zu möchten, zischt sie giftig. In der Kantine stehen sie zu zweit vor der Suppenterrine, unterhalten sich angeregt über … ein Berechnungsprogramm, den neuen Kollegen, die neue Kollegin, die müde Kantine, den schlechten Tatort, aber sie gehen nicht weiter, wenn sie zu Ende eingeschenkt haben. Sie bleiben stehen.…

  • Hinweisschild: Herrentoilette

    Hinterlassenschaften

    „Ma kann ja in solschen Lännen nischt aufs Glo gehe. Die Hüjäne da …“, sagt meine Kassiererin im Supermarkt, die meine Sonnenbräune bemerkt und angesichts meiner Einkäufe gefragt hatte, wo ich denn gewesen bin. Ich kann zu dem Thema „Hygiene in Toiletten anderer europäischer Länder“ nicht wirklich etwas beisteuern. Ich umgehe solche Örtlichkeiten im Allgemeinen und das auch recht, naja, erfolgreich. Dennoch überraschte mich die Einschränkung in dieser Aussage – „in solchen Ländern“. In solchen Ländern?? Ich finde ja, man kann auch in unserem Land öffentliche Toiletten nicht benutzen. Man kann in unserem Land ja nicht einmal Toiletten benutzen, die von vorgeblich gebildeten, mutmaßlich wohl erzogenen, vor allem aber von…

  • Fastnachtsbrunnen in Mainz

    Einfach weiter

    Zweiter Tag zurück im realen Mainz nach drei Wochen Urlaub mit Familie. Nichts ist anders: Die Sonne scheint. Ich laufe im Polo draußen rum. Die Menschen sind teils schwer zu verstehen – nur statt spanisch reden sie rhoihessisch. Und heute Abend bin ich am Strand verabredet. Einziger Unterschied dort: Es gibt Liegestühle und andere Sitzmöglichkeiten, ich muss nicht im Sand liegen. Dafür ist das Bier teurer. Ganz anders die Familiensituation: Keine P. mehr, die kluge Fragen stellt und sich so schwer aufs Glatteis führen lässt. Aber auch kein gefühlter Zwang mehr, mich anzuschließen. Nein, natürlich zwang mich niemand, mit zu wandern. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich auch drei Wochen…

  • Der Valle-Bote im Zeitungsständer

    Zentralorgan gewesener Hippies

    La Gomera wurde in Deutschland durch seine Aussteiger bekannt. Viele sind wieder weg, manche leben am Playa de las Arenas, den Einheimische „Die Schweinebucht“ nennen. Der Rest arbeitet im Tourismus, der einzigen Branche, in der man hier neben dem Bananen-Geschäft seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Über die Jahre hat sich im Valle Gran Rey eine Enklave gebildet: deutsche Zahnärzte und Steuerberater, deutsche Bäcker, Juweliere und Masseure. Die Deutschen bleiben unter sich. Ihr Zentralorgan ist der Valle Bote – „Auf Gomera geliebt – In der Welt beachtet“, wie er unter seinem Titel stolz verkündet. Das vier mal im Jahr erscheinende Blatt besticht durch sarkastisch-ironische Texte, deren meist magerer Informationsgehalt sich zwischen den…

  • Phubbing in La Playa

    Phubbing

    Es stimmt tatsächlich. Wenige Tage nach unserer Ankunft hier tauchte in den deutschen Medien plötzlich der Begriff phubbing auf. Beschrieben wurde der Umstand, dass mehrere, meist junge Menschen um einen Tisch sitzen und jeder auf sein Handy starrt. Das Kunstwort setzt sich zusammen aus „Phone“ und „snubbing“, was englisch ist und „vor den Kopf stoßen“ heißt. Während meine Reisegruppe heute zum Wasserfall wandert – eine schöne, aber beschwerliche Strecke, die ich im vergangenen Jahr kennenlernte – bin ich zum Frühstück nach La Playa spaziert. An den Nebentisch setzt sich eine Familie – Papa mit BVB-T-Shirt, Mama mit hennarotem Kurzhaar sowie zwei Töchter, die eine auf dem Endlich-richtig-Party-Sprung, die andere verharrt…