• Eine tote Taube liegt vor der Ermita del Santo in Arure

    Spektakel

    Vor der Ermita del Santo in Arure liegt eine tote Taube. Grün schillernde Fliegen haben mit dem Sezieren begonnen. Es gibt schlimmere Orte zum Sterben. Der Blick von hier oben ins Tal von Taguluche, dem Nachbartal nördlich unseres Valle Gran Rey, ist groß. Noch einen Barranco weiter rechts liegt Alojera, ein Dörflein mit Strand, von dem Reinhard, Britta und P. beständig schwärmen und wohin man nur über eine bisweilen abenteuerliche Serpentinenpiste kommt. Dort ist, abgesehen von einer Bar und ein paar angeschimmelten Häusern noch ein Steinstrand mit sehr klarem Wasser mit Regenbogenfischen drinnen. Eingefasst ist das Ganze auf drei Seiten von hohen Felsen. Es ist nicht weiter schlimm, dass der…

  • Der Valle-Bote im Zeitungsständer

    Zentralorgan gewesener Hippies

    La Gomera wurde in Deutschland durch seine Aussteiger bekannt. Viele sind wieder weg, manche leben am Playa de las Arenas, den Einheimische „Die Schweinebucht“ nennen. Der Rest arbeitet im Tourismus, der einzigen Branche, in der man hier neben dem Bananen-Geschäft seinen Lebensunterhalt bestreiten kann. Über die Jahre hat sich im Valle Gran Rey eine Enklave gebildet: deutsche Zahnärzte und Steuerberater, deutsche Bäcker, Juweliere und Masseure. Die Deutschen bleiben unter sich. Ihr Zentralorgan ist der Valle Bote – „Auf Gomera geliebt – In der Welt beachtet“, wie er unter seinem Titel stolz verkündet. Das vier mal im Jahr erscheinende Blatt besticht durch sarkastisch-ironische Texte, deren meist magerer Informationsgehalt sich zwischen den…

  • Abendspaziergang in La Playa de la Calera

    Grauschimmer

    Es ist Mittwoch. Der letzte Mittwoch unseres Urlaubs. Es wird Zeit, die Rückreise ins Auge zu fassen. Unsere Fähre verlässt San Sebastian Sonntagmorgen um neun Uhr, das heißt, wir müssen hier in La Calera um sieben Uhr mit gepackten Sachen ins Taxi steigen. Wir haben entschieden, unseren Mietwagen hier abzugeben und ein Großraumtaxi zu chartern – das macht alles etwas einfacher. Unentschieden ist noch, ob wir, wie Reinhard das möchte, um viertel vor sieben losfahren, „um genügend zeitlichen Puffer“ zu haben, oder ob wir um sieben Uhr losfahren, was Britta und ich als zeitlichen Puffer ausreichend finden, legt man zugrunde, dass die einfache Fahrt über die Insel im Schnitt 45…

  • Sonnenuntergang über La Gomera

    Die Tochter des Restaurantbesitzers

    Ein bisschen romantische Träumerei darf sein zwischen Sonne, Strand, Meer und dem Charme südländischer Schönheiten. Dieser Traum beginnt mit einem Lächeln im Sommer 2012. Ich saß in einer Bodega an der Strandpromenade in La Playa de La Calera. An meinem Tisch vorbei promenierten Familien, aufgebretzelte Jugend, es war Samstagnachmittag, man sah und wollte gesehen werden vor der abendlichen Wochenendbeschallung. Ich tue selten Zucker in meinen Kaffee aber heute tat ich es – spanischer Kaffee ist bitter. Ich blickte auf und in ein schönes Gesicht. Das war nun zunächst noch nichts Erwähnenswertes, schöne Spanierinnen hatte ich in den vergangenen Tagen viele gesehen. Aber dieses Gesicht … ließ mich unwillkürlich lächeln. Ich…

  • Nachts auf der Terrasse

    Temperatursturz

    „Kannst Du meinen Pullover mitbringen? Der liegt in der mittleren Schublade!“, ruft P. ihrem Vater hinterher, der sich seinen Jack-Wolfskin-Sweater holen geht. Wir sind auf La Gomera. Die Zeit: etwa 23 Uhr. Temperatur: um die 25 Grad. Celsius. Reinhard friert, fürchtet um seine Fitness, wenige Stunden bevor er morgen ein zweites Mal auf das Rad steigen möchte. „Ideale Rahmenbedingungen“, hat wetteronline.de ihm versprochen. „Boah, beim Anstieg nach Arure habe ich leichten Gegenwind, das ist der Hammer!“, freut er sich. Gegenwind? Auf dem Fahrrad?? Wenn’s bergauf geht??? Ja, sagt Reinhard, bei Fahrtwind im Rücken „fließt einfach nur die Soße, da isses heiß und Du schwitzt.“ Ätzend. Deswegen möchte er sich heute…

  • Fiesta in Playa de La Calera

    Flex

    „Wie war der Urlaub?“ „Du, Super! Also echt, diese Ruhe … das kennt man ja hierzulande gar nicht mehr! Du, Totenstille. Morgens nur das Rauschen des Meeres.“ Das ist alles gelogen. Wenn einen nicht sowieso einer der etwa 63 präpotenten Hähne aus dem Bett kikerikiiieet hat, dann nur, weil man am Abend vorher doch zwei Gläser Wein mehr getrunken hat, als unbedingt nötig gewesen wären. Aber dann schafft einen die Flex! Der Spanier und sein Schleifgerät bilden eine Liebesgeschichte für sich. Es vergeht kein Tag, nein: Es vergeht kein Morgen, an dem nicht irgendwo auf der Insel ein Gomerianer früh morgens zu seiner Schleifmaschine greift und irgendetwas schleift – und…

  • Phubbing in La Playa

    Phubbing

    Es stimmt tatsächlich. Wenige Tage nach unserer Ankunft hier tauchte in den deutschen Medien plötzlich der Begriff phubbing auf. Beschrieben wurde der Umstand, dass mehrere, meist junge Menschen um einen Tisch sitzen und jeder auf sein Handy starrt. Das Kunstwort setzt sich zusammen aus „Phone“ und „snubbing“, was englisch ist und „vor den Kopf stoßen“ heißt. Während meine Reisegruppe heute zum Wasserfall wandert – eine schöne, aber beschwerliche Strecke, die ich im vergangenen Jahr kennenlernte – bin ich zum Frühstück nach La Playa spaziert. An den Nebentisch setzt sich eine Familie – Papa mit BVB-T-Shirt, Mama mit hennarotem Kurzhaar sowie zwei Töchter, die eine auf dem Endlich-richtig-Party-Sprung, die andere verharrt…

  • Meerwasserbad von Hermigua

    Brunftzeit

    Glatte Haut. Knappe Bikinis. Coole Gesten. Laute Rufe. Heimliche Blicke. Im Meerwasserbad von Hermigua ist Brunftzeit. Der Reisende bekommt ein Best of Summer-of-Teenage-Love-Remembrance und ist versucht, dauernd „Vorsicht!“ zu rufen. Das Schwimmbad ist ein ehemaliger Hafen, an dem Bananen verschifft wurden. Das ummauerte Becken, in dem einst die Bananen vor der Verschiffung gewaschen wurden, dient den Erwachsenen als kühlende Erfrischung. Die Brandung drumrum gilt den heranwachsenden Jungen und Mädchen als Showbühne für Sixpackbäuche, kaum verhüllte sekundäre Geschlechtsmerkmale und für waghalsige Sprünge in die Brandung zwischen schroffen Felsen. Dass sich das Wasser an dieser Stelle nicht täglich rot färbt, grenzt an ein Wunder. Aber die Jungen und Mädchen kennen ihr Revier,…