• Entbehrliche Regalbretter nach dem Umbau

    Überfluss

    „Danke“, sagt die Mainzer Flüchtlingshilfe, „aber Möbel können wir nicht lagern“. Ich könne aber Maße und Fotos der Möbel schicken, dazu eine Info, wie lange ich sie selbst lagern und ob ich sie selbst transportieren könnte. „Wir melden uns dann bei Bedarf zurück.“ Okay: Regale aus den schwedischen Baureihen Billy und Ivar sind keine Sammlerstücke. Aber Stauraum – hätte ich gedacht – können die Flüchtlinge und vor allem die vielen Helfer sicher gut gebrauchen. Falsch! Deutschland ist ein reiches Land. Wir leben im Überfluss. Spenden wie die meine sind … wertlos. „Zeit“ … wenn ich Zeit spenden könnte, die würde helfen – für Behördengänge und derlei, sagt die Flüchtlingshilfe. Die…

  • Spätsommer in Mainz

    (Alters)Vorsorge

    Jetzt auch P., meine Frisörin. Seit 14 Jahren, seit ich in Mainz lebe, gehe ich immer in denselben Frisörladen – keiner von diesen Läden mit Kunstnamen wie „Vier Haareszeiten“, „Der Goldene Schnitt“, „Haarbracadabra“ oder gar „Hair-reinspaziert“ oder „Chaarisma“; einfach nur ein Frisörladen. Haare schneiden bitte, alle zwei bis drei Monate. Niemand kommt mir körperlich näher als P., meine Frisörin und ich war deshalb schon ein bisschen irritiert, dass ich sie nicht mehr gesehen habe, seit sie sich im vergangenen Sommer in den Urlaub verabschiedet hat – Mallorca, es ist immer Mallorca, manchmal Teneriffa. P. spricht in braidem rhoihässisch Dialekt – am liebsten ununterbrochen; lange blonde Haare, kein Gramm Fett im…

  • Comic-Cover „Superman gegen Muhammad Ali“, EHAPA-Verlag, © DC-Comics 1978

    Ali und ich

    Ich habe Muhammad Ali nicht persönlich gekannt. Von den vielen Meldungen prominenter Verstorbener in diesem Jahr hat mich die Meldung über den Tod des „Größten“ am meisten bewegt. Dabei bin ich nicht einmal Boxfan. Aber den Rumble in the Jungle im Oktober 1974 habe ich trotzdem geguckt. Es gab in meiner Kindheit und Jugend lediglich zwei Ereignisse, bei denen jede Fernsehbegrenzung aufgehoben, selbst Schlafenszeiten ausgesetzt waren. Das eine war die Mondlandung im Juli 1969, die ich auf dem grünen Sofa meiner Großmutter in Salzburg verfolgte. Das andere war Alis Kampf gegen George Foreman in Kinshasa am 30. Oktober 1974 – um 4.00 Uhr in der Früh, damit die Amis ihn…

  • Mit Macbook und Kaffeetasse im Bett

    Was ich heute kann besorgen …

    „Was machst‘n jetzt so?“ Schwer zu beantworten, die Frage. Diesen Text zum Beispiel schreibe ich gerade im Bett – am hellichten Tag. Ich muss heute nirgendwo hin. Und schreiben kann ich überall, also warum nicht hier? Hier überkam mich die Idee, das aufzuschreiben, also los geht‘s. Warum erst aufstehen? Zwanghafte Ermahnungen Das war doch jetzt gar nicht so schwer zu beantworten. In Worten nicht. Aber darf man das? Einfach so im Bett bleiben? Ich meine: Ist das gesellschaftlich okee? Luxusproblem! Es ist etwas anderes, immer nur zu sagen, wenn ich dann im Vorruhestand bin, habe ich keinen Termindruck mehr und dann im Vorruhestand langsam zu lernen, dass ich, was ich…

  • Hartung verabschiedet sich in den Vorruhestand

    Ich, Idiot!

    „Journalisten sind Leute, die ein Leben lang darüber nachdenken, welchen Beruf sie eigentlich verfehlt haben“, sagte Mark Twain. Und jetzt? Ich beende gerade mein Journalistenleben – naja, zumindest das von Dienstplänen vorbestimmte – und weiß immer noch nicht, welchen Beruf ich verfehlt habe. „Alles auf Los!“ nach 34 Jahren Schauen Sie, ich arbeite seit 33 Jahren und jetzt stehe ich vor dem Vorruhestand. Und jetzt? Während sofort der Chor der Barrikaden-gestählten Alt-68er anschwillt, die mir mit bildungsbürgerlichem Schaum vor dem Mund ein First-World-Problem, ein Luxus-Problem attestieren, sage ich „Ja! Trotzdem ist es ein Problem – wenn auch nur meins!“ Vor 33 Jahren bin ich ins Arbeitsleben eingestiegen … okay, streng…

  • Im Großraum der heute.de

    Abschied auf Raten

    Meine letzten Tage im ZDF sind angebrochen. Plötzlich häufen sich jene Dinge, die mir zum letzten Mal widerfahren – Kantine, Konferenzen. Ich habe meine Schlüssel abgegeben. Ganz dem Zeitgeist gemäß halte ich die Eindrücke via SnapChat fest. Drei News-Schichten bleiben. Der Countdown läuft.

  • Artwork: Captain America vs. Iron Man in Captain America: Civil War (2016) Artwork: Captain America vs. Iron Man in Captain America: Civil War (2016)

    Superhelden zwischen Nietzsche und Vollkasko

    Superheld zu sein ist auch nicht mehr, was es mal war. Früher wurde man als Retter vor bösen Aliens gefeiert. Heute schimpfen alle, wenn bei der Rettung mal die halbe Stadt kaputt geht. Im jetzt startenden Captain America: Civil War sollen Superhelden zu Befehlsempfängern werden. Das waren noch Zeiten, als Superman ein Auto hoch hob und gegen ein paar Straßendiebe schleuderte – die umstehenden Passanten applaudierten bewundernd. Heute rufen diese Passanten ihren Anwalt und verklagen den Superhelden auf Schadenersatz – wahlweise wegen des geschrotteten Autos oder wegen psychischer Langzeitfolgen aufgrund der erlebten Gewalt. Eine zerstörte Großstadt als Kollateralschaden Kürzlich hat Superman im Kino halb Metropolis zu Klump geschlagen; aus Versehen.…

  • Christoph ist felixeltz bei Snapchat

    Auf nach Digitalien

    Ich habe einen Account bei Facebook. Ich bin bei Twitter. Auf Instagram lade ich bisweilen Bilder hoch. Bei Pinterest bin ich auch immer noch. Seit neuestem probiere ich mich auf Snapchat. All diese Accounts sinnvoll zu steuern, sie vernünftig zu nutzen, erfordert andere Skills, als sich in ein Auto zu setzen, zur Arbeit zu fahren und im analogen Miteinander das Leben nicht den Bach runter gehen zu lassen. Als Christoph Hartung eines Morgens aus unruhigen Träumen erwachte, fand er sich in seinem Bett zu einem digitalisierten Hologramm verwandelt. Ich verwandele mich. Meine analoge Körperlichkeit entwickelt sich zu einem 90 Kilo schweren Anhang eines Geistes, der zu lernen beginnt, dass er…