Christoph
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Einfach weiter
Zweiter Tag zurück im realen Mainz nach drei Wochen Urlaub mit Familie. Nichts ist anders: Die Sonne scheint. Ich laufe im Polo draußen rum. Die Menschen sind teils schwer zu verstehen – nur statt spanisch reden sie rhoihessisch. Und heute Abend bin ich am Strand verabredet. Einziger Unterschied dort: Es gibt Liegestühle und andere Sitzmöglichkeiten, ich muss nicht im Sand liegen. Dafür ist das Bier teurer. Ganz anders die Familiensituation: Keine P. mehr, die kluge Fragen stellt und sich so schwer aufs Glatteis führen lässt. Aber auch kein gefühlter Zwang mehr, mich anzuschließen. Nein, natürlich zwang mich niemand, mit zu wandern. Wenn ich gewollt hätte, hätte ich auch drei Wochen…
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Baggage Claim
Aufgestanden heute um halb sechs, Taxi um sieben, Fähre um neun, Flieger um zwanzig vor fünf, landen mit Verspätung (und Uhr eine Stunde weiter drehen) um viertel vor elf. Und dann kommt der schlimmste Moment jeder Flugreise. Der schlimmste Moment bei den an schlimmsten Momenten nicht armen Pauschal-Flügen ist der Moment am Kofferband. Mit jedem Koffer, der kommt und in andere Hände als die Deinen fällt, steigt Dein Bauchschmerz, dass Dein Koffer wohl auf dem Weg nach Südamerika sein wird (mein Trauma rührt von der Oscar-Verleihung 1999 her, als ich vier Tage lang und bis zwei Stunden vor der Gala mit meinen Klamotten vom Anreisetag und zwei Hemden aus der…
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Maunz
Ein Hund denkt: „Mein Mensch gibt mir Heimat, umsorgt mich, gibt mir Futter. Er muss Gott sein!“ Eine Katze denkt: „Mein Mensch gibt mir Heimat, umsorgt mich, gibt mir Futter. Ich muss Gott sein!“ Kurz: Katzen brauchen Dosenöffner, keine Freunde. Diese über die Sozialen Medien, Filme und Ratgeber-für-die-einsame-Hausfrau ventilierte Erkenntnis kann ich mit Erfahrungen mit unserer einstigen Familienkatze, Ming-Küng, unbedingt unterstreichen: Ohne Futter kein Schmusen. Seltsames Gomera: Ich habe seit zwei Tagen eine neue Freundin. Sie hat ein abgebissenes Ohr, ein Auge, dessen offensichtlich gewaltsam untermalten Werdegang ich nicht so genau wissen möchte. Aber sie hat ein seidenes Fell – anders als all die verfilzten Felidae, die ich in Griechenland,…
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Abenteuer im Sack
Der letzte Tag ist angebrochen. Reinhard konnte seine Lieben zu einer letzten Wanderung überreden, „eine Stunde hin, eine zurück, schöne Eindrücke“. Ich bin zurückhaltend, was solche Beschreibungen angeht, was daran liegt, das auch eine-Stunde-hin-eine-zurück nicht immer ohne Knochenbrecherabstiege abgeht und ich Zivilisationsopfer Panik schiebe, ich könnte mir auf den abschüssigen Wegen über Stock und Stein den Fuß verrenken, brechen, abreißen, was auch immer – ich bin grundsätzlich mehr für das zu haben, was der Wanderführer „relativ ebene Strecke“ oder „Forstwanderweg“ nennt. Wirklich misstrauisch gegenüber Reinhards eine-Stunde-hin-eine-zurück-Schilderung aber macht mich der Rucksack, den er stets mitführt, einen Cougar 45, dessen Hersteller von perfektem Sitz „dank ErgoVent-Vario-Tragesystem“ schwärmt und „Ergonomisch geformte, verstellbare…
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Die Tochter des Restaurantbesitzers
Ein bisschen romantische Träumerei darf sein zwischen Sonne, Strand, Meer und dem Charme südländischer Schönheiten. Dieser Traum beginnt mit einem Lächeln im Sommer 2012. Ich saß in einer Bodega an der Strandpromenade in La Playa de La Calera. An meinem Tisch vorbei promenierten Familien, aufgebretzelte Jugend, es war Samstagnachmittag, man sah und wollte gesehen werden vor der abendlichen Wochenendbeschallung. Ich tue selten Zucker in meinen Kaffee aber heute tat ich es – spanischer Kaffee ist bitter. Ich blickte auf und in ein schönes Gesicht. Das war nun zunächst noch nichts Erwähnenswertes, schöne Spanierinnen hatte ich in den vergangenen Tagen viele gesehen. Aber dieses Gesicht … ließ mich unwillkürlich lächeln. Ich…
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Phubbing
Es stimmt tatsächlich. Wenige Tage nach unserer Ankunft hier tauchte in den deutschen Medien plötzlich der Begriff phubbing auf. Beschrieben wurde der Umstand, dass mehrere, meist junge Menschen um einen Tisch sitzen und jeder auf sein Handy starrt. Das Kunstwort setzt sich zusammen aus „Phone“ und „snubbing“, was englisch ist und „vor den Kopf stoßen“ heißt. Während meine Reisegruppe heute zum Wasserfall wandert – eine schöne, aber beschwerliche Strecke, die ich im vergangenen Jahr kennenlernte – bin ich zum Frühstück nach La Playa spaziert. An den Nebentisch setzt sich eine Familie – Papa mit BVB-T-Shirt, Mama mit hennarotem Kurzhaar sowie zwei Töchter, die eine auf dem Endlich-richtig-Party-Sprung, die andere verharrt…
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Einfach nur Urlaub
Okay, Wetter ist diesig, will sagen, da sind so Wolken vor der Sonne, also ein paar … eher Schäfchenwolken so und ist ziemlich heiß heute und ich mag mich nicht dem ProgrammmachenumdesProgrammmachenwillens-Programm anschließen, das heute wenigstens einen Besuch am Strand vorsieht, weil: Ich hab noch hundert Seiten zu lesen in einem extreeem spannenden Buch. Aber „am Strand lesen“ und ich, das sind unterschiedliche Welten. Lese ich auf dem Bauch, habe ich nach zehn Minuten Rückenschmerzen. Lese ich auf dem Rücken, kann ich das Buch nach zehn Minuten nicht mehr über mir halten. Lese ich auf der Seite, den Kopf in die Hand gestützt … schläft meine Hand ein (und nicht…
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… der Kinder wegen
Gemäß einem alten Urlaubsrhythmus – ein Tag Action, ein Tag Ruhe – habe ich unsere Sonnenterrasse zum Programmpunkt erhoben. Die anderen sind shoppen, am Strand, spazieren (nicht wandern), ich habe dem Tag beim Werden zugesehen. Dabei fällt mir der kleine Junge wieder ein, der neulich Abend am Nachbartisch saß. Ich hatte ein Foto unserer kleinen Tischgesellschaft gemacht, im Monitor der Kamera überprüft und, weil es nicht ordentlich belichtet war, gelöscht und neu versucht – drei Mal habe ich das gemacht, bis es passte. Ich setzte mich hin und trank einen Schluck Wein. Dann fiel mir der Junge auf, vielleicht sechs, sieben Jahre alt. Er blickte angestrengt auf den Monitor eines…