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Es kotzt mich an
„Der Aufstand“, titelt die analoge Ausgabe des Springer-Blattes „Die Welt“ heute und zeigt als Titelfoto eine verschämt ihr Gesicht verbergende Freiheitsstatue. So viel unverhohlene Arroganz muss man sich erst einmal erlauben: Die Mehrheit der US-Bürger (nach amerikanischem, dort allseits akzeptierten Wahlmodus mit den Wahlmännern) hat für einen Präsidenten gestimmt, der nicht Hillary Clinton heißt. Das ist kein „Aufstand“. Das nennt man Demokratie. Wir großartigen Alles-Checker Demokratie ist nicht nur, wenn einem das Ergebnis – oder wenigstens die Wähler dahinter – passt. Demokratie ist auch, muss man daran allen Ernstes erinnern, wenn eine Mehrheit einen augenscheinlich amoralischen Sexisten zu ihrem Anführer wählt. Wie es „so weit“ kommen konnte, fragen entsetzt die…
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Cosplay
Auf der Buchmesse ist einer unterwegs mit nacktem Oberkörper, nackten Füßen, einer Hose aus braunem Fell und … Pelzohren. Ja, es sei etwas kühl, sagt er – wir schreiben den 23. Oktober – aber so schlimm sei‘s dann auch nicht. Die Cosplayer sind los auf der Buchmesse Frankfurt – als Manga-, Anime-, Computerspiel- oder Comicfigur verkleidete Menschen.
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Diese Jugend von heute
Wir Journalisten sind schon zynische Arschlöcher. Hauptsache: schlecht. Katastrophen verkaufen sich gut, lernen wir – was unseren Lesern und Zuschauern gegenüber so respektlos ist wie dieses Sex sells (und wir wurden zu Zynikern in diesem Beruf, weil wir lernten, dass sich Katastrophen mit Fotos von Feuerbällen wirklich besser verkaufen, als Happy-Go-Lucky-Journalismus – dass es uns gut geht, wissen die Leser schließlich auch ohne uns). Also schreiben wir über Bildungsmisere und deren Cousine, die Bildungsferne, berichten über Null-Bock-Jugend und Generation Praktikum. Wir Journalisten, die sowas schreiben, sind dann meistens eher so meine Generation, also ab 45 aufwärts – oder eher ab 45 abwärts, wie die kreative Jugend sagen würde. Liest man…
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7.03 Uhr ab Mainz Hbf
Und plötzlich bin ich wieder im Job. Fünf Monate habe ich das nicht mehr gehabt: Morgens klingelt der Wecker, im Radio albern Zeus und Wirbitzki sich durch die SWR3-Morningshow (mein erster Gedanke ist Zum Glück nicht die anderen beiden, die Griechin und der Schwätzer – ganz wie früher). Auf dem Weg zum Arbeitsplatz ist mein Schritt wieder schnell. Längst leiste ich mir in meinem Vorruhestand den gemächlichen Gang des Privatiers, der es nicht eilig hat. Ich bleibe an roten Fußgängerampeln stehen, nicht der Kinder wegen, sondern weil ich Zeit habe; warum die Eile. Und jetzt wieder Stechschritt im Slalom um lauter Rollkoffer und Businessdresses – rote Ampel? Nicht gesehen! Ich…
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Die Rückkehr der Raubritter
Ich zahle gerne mit meiner Kreditkarte; oder mit meiner EC-Karte, die wohl längst GiroCard heißt. Manchmal zahle ich im Supermarkt sogar Beträge unter 20 Euro mit der Karte, weil ich einem plötzlichen Impuls nachgebend einkaufen war und nicht daran gedacht habe, vorher Bargeld zu ziehen. Das ist mir dann ein wenig unangenehm, wahrscheinlich, weil es einfach so ungewohnt ist, aber dann denke ich mir, dass das ja die neue Zeit ist, in der man auch 13,89 Euro per Karte begleicht. Trotzdem will ich auf das Bargeld nicht verzichten. Ich bin empört über die Spitzen der Weltbanken, die in Büros jenseits der 25. Stockwerke ihrer Glastürme Pläne schmieden, mir Münze und…
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15:38 hrs.
Der Urlaub ist zu Ende. Um fünf nach acht habe ich mich von Britta und Reinhard verabschiedet und mich auf den Weg zur Bushaltestelle gemacht, an der mich der Bus um 8.30 Uhr (Foto) aufpicken soll. Um 0.43 Uhr (23.43, La-Gomera-Zeit) habe ich daheim meine Wohnungstür aufgeschlossen; mit der einen Stunde Zeitunterschied zwischen dort und hier war ich fünfzehn Stunden und achtunddreißig Minuten unterwegs – fahren, warten, Fähre, warten, fliegen, warten, Kofferband, warten, S-Bahn – ein Zeitraum, den ich mir hypnotisch verkürze, indem ich eine Bilanz der drei Gomera-Familienwochen ziehe, in Gedanken nochmal den Hausberg erwandere, sexuellen Phantasien nachhänge, meinen aktuellen Roman lese, überlege, ob ich Samstag schon wieder rudern…
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Nicht für die Schule …
Einfach ma einen raushauen. Ob‘s stimmt, seh‘n wa dann später! Beim Wortfindungsspiel „Stadt – Land – Fluss“ geht es darum, am schnellsten Begriffe zu definierten Kategorien zu finden, die alle mit dem selben Buchstaben beginnen. Das Spiel war früher bei bildungsbürgerlichen Eltern beliebt, um dem Nachwuchs einen reichen Wortschatz nebst geografischen Kenntnissen zu vermitteln. Ähnlich dem Erkenntnisgewinn beim Kreuzworträtsel kannten bald auch 12-Jährige exotische Flüsse mit dem Anfangsbuchstaben X. In Zeiten von 24/7-Online und jederzeit verfügbarer Lexika markiert das Kennen exotischer Flüsse mit X keinen Vorsprung mehr, im Gegenteil, eher verstopft es die nur begrenzt vorhandenen Zellen des Gehirns, die heute woanders dringlicher gebraucht werden – zum Beispiel bei der…
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Eine Portion Abschied
Heute vor einer Woche schaute P. auf ihren Kalender und stellte fest, „Boh, der Urlaub ist ja schon fast wieder vorbei!“ Halb leer statt halb voll. Nun, was damals noch wie ein Märchen klang, ist heute fast Wirklichkeit, und man kann es überall sehen. Meine allmorgendliche Laufstrecke ist seit gestern bevölkert mit anderen Läufern – junge, alte, paarweise, alleine, meine Richtung, entgegengesetzte Richtung, alles Mitteleuropäer; zu den Straßenkehrern in ihren gelben Westen haben sich Straßenmaler in gelben Westen gesellt, die Fahrbahnmarkierungen mit Farbrollern erneuern. Zu Brittas großer Freude haben nun auch viele Restaurants ihre Vacaciones beendet, um rechtzeitig zur anlaufenden Hauptsaison vom Touristenzustrom zu profitieren, der nun bald vom spanischen…